Scholz muss Lindner in die Schranken weisen
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Finanzminister Christian Lindner (FDP).
© Quelle: IMAGO/photothek
Die gute Nachricht: Die für dieses Jahr befürchtete Rezession wird ausbleiben. Strom und Gas sind zwar deutlich teurer geworden. Der milde Winter sowie die beschlossenen Preisbremsen haben aber verhindert, dass explodierende Energiekosten die Wirtschaft abwürgen. Die große Unsicherheit, die die gesamte Gesellschaft noch im vergangenen Herbst lähmte, ist überwunden.
Damit entspannt sich auch die Haushaltslage. Eine wachsende Wirtschaft sorgt in der Kombination mit weiterhin hohen Inflationsraten und guten Lohnabschlüssen für kräftig steigende Steuereinnahmen. Dennoch sind die Spielräume begrenzt, weil die Schuldenbremse wieder gilt und Rücklagen aufgebraucht sind. Die Ampelparteien müssen also das erste Mal das tun, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben: Prioritäten setzen und sparen. Kein Wunder, dass es bei den Verhandlungen über die Eckwerte für den Haushalt 2024, die nun in die heiße Phase gehen, kracht.
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Dabei geht es in einigen Punkten gar nicht so sehr um die Inhalte, als vielmehr um die Art und Weise, wie Finanzminister Christian Lindner agiert. So ist die SPD sauer, dass der FDP-Chef seiner Parteikollegin Bettina Stark-Watzinger ohne Rücksprache in der Koalition dauerhaft eine Milliarde Euro für die Förderung von Schulen in sozialen Brennpunkten zugesagt hat. Die Grünen sind darüber erbost, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius ohne größere Debatten mehr Geld für die Bundeswehr bekommt. Beides Themen, die gar nicht strittig sind. Doch die jeweils nicht mit Geld bedachte Partei fühlt sich zu kurz gekommen. Dieser Streit kann also nicht ernst genommen werden.
Milliardendefizite in Kranken- und Pflegeversicherung
Der Knackpunkt ist vielmehr der Umgang mit den sozialen Sicherungssystemen, namentlich mit der Kranken- und der Pflegeversicherung, wo Defizite in zweistelliger Milliardenhöhe auflaufen. Hier ist der Koalitionsvertrag eindeutig: Leistungen, die aus sozialpolitischen Gründen erwünscht sind, aber nichts mit den eigentlichen Aufgaben der jeweiligen Versicherung zu tun haben, sollen zur Entlastung aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. In der Pflegeversicherung sind das insbesondere die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, immerhin mehr als 3 Milliarden Euro. Und in der Krankenversicherung spart der Bund zulasten der Versicherten Milliarden, weil er zu geringe Beiträge für die Empfänger von Bürgergeld zahlt.
Auch hier verspricht der Koalitionsvertrag richtigerweise eine Änderung, die Lindner aber bisher strikt ablehnt. Eine aus Sicht der FDP konsequente Haltung, die aber grundfalsch ist. Sozialbeiträge belasten schließlich weitgehend die geringen und mittleren Einkommen, während Gut- und Spitzenverdiener im Verhältnis zu ihren Einkommen nur geringe Abzüge haben. Das Steuersystem ist deutlich fairer, weil hier die hohen Gehälter stärker herangezogen werden.
Klimaschädliche Steuervorteile streichen
Bleibt Lindner bei seinem Nein, müssen die Versicherten mit deftigen Beitragsanhebungen rechnen. Klar ist aber auch, dass gespart werden muss, um diese Lasten über den Haushalt zu schultern. Dazu sieht der Koalitionsvertrag die Streichung von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen vor. Doch es ist wieder einmal Lindner, der hier auf der Bremse steht mit dem sehr zweifelhaften Argument, jeder Abbau von Steuervorteilen sei eine Steuererhöhung.
Lindner kommt mit seiner Haltung bisher durch, weil Bundeskanzler Olaf Scholz seine schützende Hand über die FDP hält. Er hat keinerlei Interesse daran, dass die Liberalen – wichtiges Bollwerk gegenüber der oppositionellen Union – weiter geschwächt werden. Die permanente Nichtachtung des Koalitionsvertrags darf er aber nicht weiter hinnehmen. Es ist wieder einmal Zeit für ein Machtwort.