Terrorwarnung in Istanbul: Wie groß ist die Gefahr?
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Die Blaue Moschsee in Istanbul. Hier sollen sich Deutsche vorerst nicht aufhalten.
© Quelle: IMAGO/Panthermedia
Die Tore des deutschen Generalkonsulats in Istanbul sind seit Donnerstag geschlossen. Stählerne Absperrgitter halten Passanten fern. Vor dem Gebäude steht ein gepanzertes Fahrzeug der türkischen Polizei. Das Auswärtige Amt ruft Türkei-Reisende in Istanbul zu „besonderer Vorsicht im Innenstadtbereich“ auf, vor allem in der Gegend um den Taksim-Platz und die Einkaufsstraße Istiklal sowie in der Nähe von ausländischen Konsulaten sowie Kirchen und Synagogen. Ähnliche Warnungen gaben auch andere Länder heraus und schlossen ihre Konsulate in Istanbul. Die Schweiz und Schweden machten außerdem ihre Botschaften in der Hauptstadt Ankara dicht.
Informationen kommen vor allem von Geheimdiensten aus den USA
Der Grund seien „präzise und konkrete“ Hinweise auf ein geplantes Attentat, heißt es in Kreisen westlicher Diplomaten. Die Schweiz spricht von „greifbaren Informationen über einen drohenden Terroranschlag“. Es handelt sich also um mehr als eine allgemeine Vorsichtsmaßnahme. Bereits in der vergangenen Woche hatten Deutschland, Schweden, Norwegen und Dänemark sowie die USA ihre Staatsbürger vor einem erhöhten Anschlagsrisiko in der Türkei gewarnt. Offenbar haben sich die Erkenntnisse seither weiter konkretisiert. Am Montag hatten die USA ihre Warnung verschärft und auf Istanbul fokussiert.
Allem Anschein nach kommen die Informationen nicht aus türkischen Sicherheitskreisen. Westliche Diplomaten lassen durchblicken, dass die Erkenntnisse von ausländischen Geheimdiensten stammen. Vor allem Dienste der USA werden als Quelle genannt. Sie haben offenbar konkrete Hinweise auf geplante Vergeltungsschläge in Istanbul nach mehreren islamfeindlichen Aktionen in Europa. In Schweden und Dänemark verbrannte im vergangenen Monat ein rechtsextremer Aktivist den Koran, im niederländischen Den Haag zerfetzte ein Demonstrant öffentlich ein Exemplar des heiligen Buchs der Muslime. Hintergrund der Aktionen ist das seit Monaten andauernde Tauziehen um den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan blockiert die Aufnahme der beiden Länder mit seinem Veto. Er wirft ihnen vor, „Terroristen“ Unterschlupf zu gewähren.
Türkei reagiert empört
Die Türkei reagierte empört auf die Sicherheitswarnungen. Das Außenministerium bestellte neun westliche Botschafter ein. Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf den Auslandsvertretungen am Freitag vor, sie wollten mit ihren Sicherheitswarnungen „ein Bild erzeugen, wonach die Türkei instabil ist und es eine Terrorgefahr gibt“. Das sei „unvereinbar mit Freundschaft und Partnerschaftlichkeit“, so Cavusoglu.
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Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, Außenminister zeigt sich nicht begeistert von den Warnungen.
© Quelle: Leah Millis/Pool Reuters/AP/dpa
Zuvor hatte das türkische Außenministerium mit einer eigenen Reisewarnung gekontert und türkische Bürger vor „islamophobischen, fremdenfeindlichen und rassistischen Angriffen“ in den USA und Europa gewarnt. Die jüngsten Koranverbrennungen zeigten das „gefährliche Ausmaß religiöser Intoleranz und des Hasses in Europa“, erklärte das Ministerium.
„Lassen Sie ihre dreckigen Hände von der Türkei“
Das Innenministerium in Ankara erklärte, es gebe keine Hinweise auf einen geplanten Anschlag. Innenminister Süleyman Soylu warf den USA und Europa „psychologische Kriegsführung“ gegen die Türkei vor. Er sprach von einer „ausländischen Verschwörung“, deren Ziel es sei, den Tourismus in der Türkei zu zerstören. „Wir wissen, wer die Terrororganisationen mit Geld, logistischer Unterstützung und Personal füttert, es sind die USA und der Westen“, sagte Soylu. An den amerikanischen Botschafter gerichtet sagte Soylu: „Lassen Sie Ihre dreckigen Hände von der Türkei!“
In der Türkei wurden in den vergangenen Jahren Dutzende Terroranschläge verübt. Die Täter waren meist kurdische Autonomisten und Islamisten mit Verbindungen zum Terrornetzwerk IS. Das deutsche Generalkonsulat und die meisten anderen jetzt geschlossenen konsularischen Vertretungen liegen im Istanbuler Stadtteil Beyoglu in einer als besonders neuralgisch geltenden Gegend unweit des Taksim-Platzes und der auch bei Touristen beliebten Einkaufsstraße Istiklal.
Dort wurden Mitte November 2022 sechs Passanten bei der Explosion einer Bombe getötet. Die türkischen Sicherheitsbehörden machten eine Syrerin mit angeblichen Verbindungen zur Kurdenmiliz YPG, den syrischen Ableger der kurdischen Terrororganisation PKK, für das Attentat verantwortlich.
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Im Januar 2016 wurden bei einem Terroranschlag in Istanbul zwölf deutsche Touristinnen und Touristen getötet sowie neun weitere Bundesbürger schwer verletzt. Ein Selbstmordattentäter hatte vor der Hagia Sofia die deutsche Gruppe, die eine Drei-Länder-Tour mit dem Berliner Veranstalter „Lebenslust“ gebucht hatte, offenbar gezielt ins Visier genommen und sich inmitten der Reisenden in die Luft gesprengt. Der Täter hatte Verbindungen zur IS-Terrormiliz. Drei Monate später sprengte sich ein mutmaßlicher IS-Selbstmordattentäter auf der Einkaufsstraße Istiklal in die Luft und riss vier Menschen mit sich in den Tod.