Bericht: Hoher Munitionsverbrauch in der Ukraine bringt Europas Rüstungsindustrie an ihre Grenzen
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Ukrainische Soldaten feuern eine französische Panzerhaubitze vom Typ Caesar auf russische Stellungen (Archivbild).
© Quelle: Libkos/AP/dpa
In ihren Abwehrbemühungen gegen den russischen Angriffskrieg verbraucht die Ukraine täglich riesige Mengen an Munition. Laut eines Berichts der „Financial Times“ (FT) beläuft sich der Verbrauch Tag für Tag auf 5000 bis 6000 Artilleriegeschosse – so viel wie ein kleines europäisches Land in Friedenszeiten pro Jahr bestellen würde.
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Angesichts des hohen Bedarfs der Ukraine kommt die europäische Rüstungsindustrie laut des Berichts mit der Produktion kaum hinterher. Hinzu kommen demnach andauernde Probleme mit den Lieferketten, die bereits seit Beginn der Corona-Pandemie den weltweiten Handel erschweren.
„Krieg um Industriekapazitäten“
Mit Blick darauf nennt Morten Brandtzäg, Chef des norwegisch-finnischen Rüstungskonzerns Nammo, die Situation gegenüber dem Blatt einen „Krieg um Industriekapazitäten“. Demnach fehle es derzeit in Europa nicht nur an Kapazitäten für die Produktion, sondern auch an Materialien, die für die Herstellung von Sprengstoffen dringend benötigt werden. Manche der Komponenten seien so stark nachgefragt, dass die Lieferzeiten nun von Monaten auf Jahre verlängert werden.
Besonders schwierig ist es laut des Berichts aktuell, Salpetersäure zu beschaffen. Denn diese wird auch für die Produktion von Düngemitteln benötigt. Doch wegen der Energiekrise wurde die Produktion von Düngern in Europa deutlich reduziert. Die Rüstungsindustrie muss sich nun also anderweitig nach Quellen für Salpetersäure umsehen.
Europäische Rüstungsindustrie kurbelt die Produktion an
Rüstungskonzerne in ganz Europa versuchen nun, ihre Produktionskapazitäten schnellstmöglich auszubauen. Dabei ist der Druck groß: Der Chef des britischen Unternehmens Chemring, Mick Ord, sagte gegenüber der FT, dass manche Abnehmer darum gebeten hätten, die Produktion „um 100 bis 200 Prozent“ zu steigern. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall hatte kürzlich angekündigt, eine Sprengstofffabrik in Ungarn aufzubauen.
Ein Königreich für Kampfjets: Selenskyj mit Bitte in London
Erst zum zweiten Mal reist der ukrainische Präsident Selenskyj seit Kriegsbeginn vor einem Jahr ins Ausland. Sein Ziel diesmal: Großbritannien.
© Quelle: dpa
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Um die großen Investitionen der Unternehmen wieder aufzufangen, fordern die Verantwortlichen langfristigere Verträge mit den Regierungen. So erhalte der Konzern Nammo zwar Jahresverträge mit den Regierungen Norwegens und Finnlands, dennoch stellten die zuletzt getätigten Investitionen „eine enorme Belastung für die Finanzen eines ansonsten gesunden Verteidigungsunternehmens“ dar. Man habe allein im vergangenen Jahr dreimal so viel Geld ausgegeben wie im Vorjahr, so Konzernchef Brandtzäg. Deshalb brauche man mehrjährige Verträge.
Frankreich produziert in einem Jahr, was die Ukraine in einer Woche verschießt
Auch in Großbritannien und Frankreich arbeitet die Rüstungsindustrie laut des Berichts unter Hochdruck daran, ihre Kapazitäten auszubauen. Der britische Munitionshersteller BAE hat die Anzahl von Schichten in ihren drei Fabriken ausgebaut. Das französische Unternehmen Nexter hat mit Australien ein Abkommen geschlossen, nachdem in Zusammenarbeit 155-Millimeter-Artilleriegeschosse für die Ukraine produziert werden sollen.
„Wenn es jemals einen Zeitpunkt gab, an dem man sagen konnte, dass wir bei der Munition zusammenarbeiten sollten, dann ist es jetzt“, sagte der Journalist Francis Tusa gegenüber der FT. Dabei bezog sich Tusa auf kürzliche Aussagen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dass die jährliche Produktion von Artilleriegeschossen in Frankreich dem Bedarf von einer Woche der Gefechte in der Ukraine entspräche.
RND/sic