„Für den Fall der Fälle“

Verteidigungsminister Pistorius lässt Leopard-Bestand prüfen – Austin: „Russland wird immer grausamer“

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei der Ukraine-Konferenz auf der US-Airbase Ramstein neben US-General Mark Miller.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei der Ukraine-Konferenz auf der US-Airbase Ramstein neben US-General Mark Miller.

Die Bundesregierung bereitet sich auf die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine vor, will aber noch keine endgültige Entscheidung treffen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Freitag vor Journalisten an der US-Militärbasis in Ramstein, er habe seinem Ministerium am Morgen aufgetragen, die Bestände der Leopard-Panzer und ihre verschiedenen Typen innerhalb der Streitkräfte und der Industrie zu prüfen. Im Fokus stünden dabei die Fragen nach der Kompatibilität mit den Systemen der Partner, die Verfügbarkeit der Panzer und die genaue Stückzahl. „Das ist die Vorbereitung auf den Tag, der vielleicht kommen mag“, sagte Pistorius. „Wir bereiten uns vor für den Fall der Fälle.“

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Bei ihrem Treffen auf der US-Militärbasis Ramstein in Rheinland Pfalz haben die 54 Verteidigungsminister der Ukraine-Kontaktgruppe auch über die mögliche Lieferung der Leopard-Kampfpanzer gesprochen, bestätigte Pistorius. „Es gibt kein einheitliches Meinungsbild,“ erklärte er anschließend. Der Eindruck, es gebe eine einheitliche Koalition der Partner und Deutschland stehe im Weg, sei falsch. Pistorius stellte klar: Es gebe viele Verbündete, die die Auffassung teilen, dass es gute Gründe für und gegen die Lieferung des Leopard-Kampfpanzers gebe.

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Die USA hatten es zuletzt ebenfalls abgelehnt, der Ukraine Kampfpanzer aus der eigener Produktion zu liefern. Im Gespräch waren M1 Abrams, doch deren Wartung sei teuer und kompliziert, so die Begründung der USA. „Ich kann zu M1 Abrams nichts ankündigen“, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Freitag nach dem Ramstein-Treffen.

Zuvor hatte Polen den Druck auf Deutschland erhöht und angekündigt, man erwäge deutsche Leopard-Panzer auch ohne Genehmigung an die Ukraine zu liefern. Die Frage der Exportgenehmigungen sei beim gemeinsamen Treffen an diesem Freitag laut Pistorius diskutiert, aber nicht entschieden worden. Polen habe die Drohung, sich über Deutschland hinwegzusetzen und der Ukraine Leopard-Panzer zu überlassen, beim heutigen Treffen nicht wiederholt. Pistorius erklärte zudem, dass die Partner bereits vorbereitend ukrainische Soldaten an Leopard-Panzer ausbilden könnten.

Eine gemeinsame Initiative zur Lieferung von Kampfpanzern des deutschen Typs Leopard 2 ist bereits seit Monaten im Gespräch. Erstmals schlug der Thinktank European Council on Foreign Relations (ECFR) im September des vergangenen Jahres eine gemeinsame Initiative europäischer Staaten vor. Zuletzt erhöhte Polen den Druck und erklärte sich bereit, Leopard-2-Panzer für eine Kompanie, etwa elf bis 14 Panzer, im Rahmen einer internationalen Koalition an die Ukraine abgegeben zu wollen. Allerdings ist noch eine Genehmigung zur Ausfuhr der deutschen Leopard-Panzer aus Polen notwendig. Die Bundesregierung hatte dies bisher immer abgelehnt. Auch Finnland erklärte sich zuvor dazu bereit, Leopard-Panzer abzugeben.

Verteidigungsminister Pistorius sprach am Freitag auch über weitere Waffenlieferungen Deutschlands. Derzeit bereite man bis zu 40 Marder-Schützenpanzer für die Lieferung in die Ukraine vor, eine ähnliche Anzahl würden auch die USA gerade für den Export an die Ukraine vorbereiten. Innerhalb der nächsten zwei Wochen soll die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte am Marder beginnen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnte - in Ramstein per Video zugeschaltet - zur Eile bei den Waffenlieferungen. Die Zeit sei kritisch, sagte er. Russland ziehe gerade seine Kräfte, seine letzten Kräfte zusammen. „Wir müssen schneller werden.“ Der russische Terror erlaube keine langen Diskussionen. „Der Kreml muss verlieren.“

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Selenskyj richtet sich wegen Panzerlieferungen mit deutlichen Worten an Scholz
19.01.2023, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, nimmt an einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Michel, nach ihrem Treffen, teil. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In Kiew blickt man angesichts der schweren russischen Angriffe zugleich angespannt und hoffnungsvoll auf die heutige Militärkonferenz in Ramstein.

„Deutschland wird nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen“, sagte der Verteidigungsminister. Er machte jedoch deutlich: „Priorität Nummer eins ist Luftverteidigung, Luftverteidigung, Luftverteidigung.“ Deutschland werde daher neben dem schon länger angekündigten Flugabwehrsystems Patriot auch sieben weitere Gepard-Panzer aus Industriebeständen der Ukraine überlassen. Damit seien dann 37 Gepard-Panzer in der Ukraine im Einsatz. Außerdem kündigte er die Abgabe von Lenkflugkörpern für das Luftverteidigungssystem IRIS-T an.

In den kommenden Monaten will Deutschland dann ein weiteres IRIS-T-Luftverteidigungssystem sowie weitere Lenkflugkörper dafür liefern. Dieses „Frühjahrspaket“ habe einen Wert von etwa einer Milliarde Euro. Insgesamt habe die Bundesrepublik laut Pistorius mehr als 3,3 Milliarde Euro investiert.

Austin: „Russland wird immer grausamer“

Neben Deutschland werden auch Frankreich, Großbritannien und Kanada laut US-Verteidigungsminister Austin Luftverteidigungssysteme an die Ukraine liefern. „Russland wird immer grausamer“, sagte Austin. Er kündigte ein weiteres Militärhilfspaket in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar an. „Wir liefern Luftabwehrsysteme, 59 Schützenpanzer des Typs Bradley, erstmals 90 Radschützenpanzer des Typs Stryker, 53 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ MRAP und 350 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Humvee“, sagte Austin. Außerdem erhalte die Ukraine mehr als 100.000 Schuss Artilleriemunition. „Das ist ein schlagkräftiges Paket, mit dem die Ukrainer erfolgreich sein können“, so der US-Verteidigungsminister.

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„Die ukrainische Bevölkerung schaut auf uns. Der Kreml schaut auf uns. Und die Geschichte schaut auf uns.“ Auf die Frage, ob Deutschland genug tue, um in Europa Führungsstärke zu zeigen, antwortet Austin mit „Ja“. Aber alle könnten mehr tun, räumte er ein. Austin lobte, dass Deutschland viel geleistet habe, „sehr engagiert“ und „ein verlässlicher Partner“ sei. Deutschland habe zahlreiche Zivilisten und Soldaten aus der Ukraine aufgenommen, lobte er. „Und Deutschland wird auch Führungsstärke zeigen“, sagte der US-Verteidigungsminister.

US-Generalstabschef Mark Milley machte deutlich, dass Russland den Krieg jederzeit beenden könnte. „Putin könnte diesen blutigen Krieg heute stoppen und ihm ein Ende setzen“, sagte er. Er zeigte sich überzeugt, dass der Krieg am Verhandlungstisch enden werde, mit Vertretern von Russland und der Ukraine.

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