Demoralisiert und führungslos: Russlands Truppen waren in Charkiw stark unterbesetzt
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Die Überreste eines zerstörten russischen Panzers liegen auf der Straße zwischen Isjum und Charkiw.
© Quelle: Francisco Seco/AP/dpa
Nach dem russischen Rückzug aus der ostukrainischen Region Charkiw gefundene Dokumente legen nahe, dass die Truppen des Kreml bereits stark unterbesetzt und demoralisiert waren. Die Papiere wurden von der Nachrichtenagentur Reuters ausgewertet.
Demnach seien die Einheiten um den Ort Balaklija, etwa 90 Kilometer südlich der Stadt Charkiw gelegen, stark dezimiert gewesen. Ein Kampfbataillon habe lediglich über rund ein Fünftel seiner Stärke verfügt, eine weitere Reserveeinheit sei nur noch zu gut 23 Prozent besetzt gewesen, heißt es in der Recherche. Zudem hätten eine schlechte Moral der Truppe, mangelhafte Logistik sowie anmaßende Kommandeure die Leistungen der russischen Truppen stark beeinträchtigt.
In einem Fall hätte ein Kommandeur des russischen westlichen Militärbezirks einem Untergebenen etwa ausdrücklich untersagt, sich aus einer unhaltbaren Position in dem kleinen Dorf Hrakove zurückzuziehen. Die Fläche des Ortes beträgt weniger als drei Quadratkilometer. Kommandeur sei damals Generaloberst Alexander Schurawljow gewesen, der bereits von Kremlchef Wladimir Putin gefeuert wurde.
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Russlands Truppen mangelhaft ausgerüstet
Die Dokumente, die in einer verlassenen Basis der Russen nahe Balaklija gefunden wurden, legen zudem laut Reuters offen, dass die russischen Truppen schlecht ausgerüstet waren. So seien sie auf den Einsatz von handelsüblichen Drohnen zur Aufklärung der ukrainischen Stellungen angewiesen gewesen. Doch selbst diese, die dem Bericht zufolge über Crowdfunding-Kampagnen finanziert wurden, seien oftmals nicht einsatzbereit gewesen. Währenddessen hatten die ukrainischen Truppen mit dem Einsatz ihrer Himars-Mehrfachraketenwerfer gegen die russischen Kommandoposten leichtes Spiel.
Obwohl die Streitkräfte der Ukraine den russischen Truppen bereits im Juli schwere Schläge zufügen konnten, begann die eigentliche Gegenoffensive in der Region Charkiw erst ab dem 6. September. Bereits zwischen dem 8. und dem 10. September wurden die Russen zum Rückzug gezwungen. Gegenüber Reuters berichteten Anwohner und Anwohnerinnen von Staus fliehender russischer Soldaten. Diese ließen offenbar ihre Waffen und Fahrzeuge dabei zurück. Viele von ihnen seien verwundet gewesen. „Es war einfach nur Chaos“, wird ein Anwohner zitiert.
RND/sic