Kommentar zu UN-Generalversammlung

Die Vereinten Nationen können keinen Frieden schaffen

Rund um den Jahrestag des Beginns des russischen Überfalls auf die Ukraine treffen sich die UN-Vollversammlung und der UN-Sicherheitsrat zu Sondersitzungen im UN-Hauptquartier in New York.

Rund um den Jahrestag des Beginns des russischen Überfalls auf die Ukraine treffen sich die UN-Vollversammlung und der UN-Sicherheitsrat zu Sondersitzungen im UN-Hauptquartier in New York.

Brüssel. Eine gewaltige Mehrheit der 193 UN-Mitgliedsstaaten will den Frieden zurück. Sie fordert Russland auf, seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine unverzüglich zu beenden. 141 Staaten haben jetzt für eine entsprechende Resolution in der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York gestimmt.

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Das Votum ist beeindruckend klar. Nur wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht den Frieden schaffen, den sich die Mehrheit der Welt zu Beginn des zweiten Kriegsjahres in der Ukraine so sehnlich wünscht.

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Zwar ist Russland in den Vereinten Nationen isoliert wie nie zuvor. Doch solange sich Wladimir Putin darauf verlassen kann, dass Staaten wie China, Indien und Südafrika sich sogar bei Abstimmungen über rechtlich nicht bindende UN-Resolutionen enthalten werden, wird er sich sicher fühlen. Staaten wie Belarus, Nordkorea, Eritrea, Mali, Nicaragua und Syrien, die zusammen mit Russland die Resolution abgelehnt haben, braucht Putin nicht. Auf China und Indien kommt es an.

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China steht fest an Putins Seite

Doch China steht fest an Putins Seite. Daran dürfte sich auch in naher Zukunft nichts ändern. Bleibt Indien, das seit vielen Jahren Waffen in Russland kauft und seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine viel Öl aus Russland bezieht. Billiges Öl, das Putin im Westen wegen der Sanktionen nicht mehr verkaufen kann.

Olaf Scholz kann auf Indien einwirken

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Wochenende die Chance, auf die Entwicklung einzuwirken. Er besucht Indien, und er sollte nichts unversucht lassen, die Führung des Landes zu einer Kurskorrektur zu bewegen. Das wird nicht einfach, aber es ist nötig.

Eine Enthaltung, wie sie Indien bei der Abstimmung vollzogen hat, ist keine Haltung, die der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt würdig wäre. Denn im Falle des russischen Kriegs gegen die Ukraine kann es nur eine Haltung geben: Russland muss den Krieg beenden.

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ARCHIV - 15.09.2022, Ukraine, Isjum: Ein Blick auf nicht identifizierte Gräber von Zivilisten und ukrainischen Soldaten, die von russischen Streitkräften zu Beginn des Krieges getötet worden sein sollen, auf einem Friedhof in der kürzlich zurückeroberten Stadt. Am 24. Februar 2023 jährt sich der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. (zu dpa «Was von einem Jahr Krieg besonders in Erinnerung bleibt») Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wie Russlands Krieg an der Weltordnung rüttelt

Putins Krieg gegen die Ukraine teilt die ganze Welt neu ein. Die Frontlinie verläuft nicht nur zwischen Russen und Ukrainern, sondern zwischen Demokratien und Diktaturen. Auf bittere Weise muss auch Deutschland wieder aufrüsten, um Kriegsverbrecher auf Abstand zu halten.

Die Ukraine wird die Abstimmung in der UN-Generalversammlung begrüßen. Sie belegt unmissverständlich das hohe Maß an Unterstützung, das das überfallene Land von der internationalen Gemeinschaft erfährt. Das Votum war wie ein Barometer, an dem sich ablesen lässt, was die übergroße Mehrheit der Staaten vom Kriegstreiber Putin hält.

Nur ein symbolischer Akt

Doch mehr als ein symbolischer Akt war die Abstimmung leider nicht. Das liegt an der Verfasstheit der Vereinten Nationen. Die Generalversammlung ist eine Art Parlament der Mitgliedsstaaten, das viel fordern kann, aber nichts durchsetzen darf. Der frühere US-Botschafter bei den UN, Adlai Stevenson, hat die Lage trefflich zusammengefasst: „Ich lebe in einem Meer der Worte, wo die Substantive und Adjektive fließen, wo die Verben von Taten sprechen, die niemals stattfinden, und wo die Sätze kommen und gehen.“

Nicht besser sieht es im entscheidenden Gremium der UN, dem Sicherheitsrat, aus. Er ist schon seit Jahren blockiert. Weil die fünf Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich mehr damit beschäftigt sind, Eigeninteressen über die in den UN-Statuten vorgeschriebene gemeinsame Aufgabe der Friedenserhaltung und Friedensschaffung zu stellen. Der russische Überfall auf die Ukraine ist ein besonders perfides Beispiel für diesen Missstand. An eine Reform des Sicherheitsrats ist seit dem 24. Februar vergangenen Jahres nicht mehr zu denken.

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Die breite Mehrheit gegen den russischen Krieg verdeckt einen Schwachpunkt im UN-System: Zur Sicherung des Friedens und zur Erhaltung des Friedens taugen die Vereinten Nationen traditionell wenig. Politisch enttäuschen sie.

Man darf aber nicht vergessen: Immerhin sind die UN so etwas wie das Weltsozialamt. Ohne Flüchtlingshilfswerk, Weltgesundheitsorganisation und Welternährungsprogramm gäbe es noch viel mehr dunkle Flecken auf diesem Globus.

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