Gemeinsame Pläne von EVG und Verdi

Bundesweiter Verkehrsstreik am 27. März: „Das ist eine ungewöhnliche Sache“

Warnstreiks im Nahverkehr gab es in den vergangenen Tagen schon einige: Verschlossen und menschenleer ist hier die U-Bahn-Station Aegidientorplatz in Hannover am 3. März.

Warnstreiks im Nahverkehr gab es in den vergangenen Tagen schon einige: Verschlossen und menschenleer ist hier die U-Bahn-Station Aegidientorplatz in Hannover am 3. März.

Berlin. Pendler und Reisende müssen sich für den 27. März auf massive Einschränkungen bei allen Verkehrsmitteln einstellen. Die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wollen gemeinsam streiken. Alle Verkehrsmittel wären durch den gemeinsamen Streik betroffen, die Auswirkungen könnten viel stärker spürbar sein als bei den letzten Streikrunden der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) vor zwei Jahren. Bahn, Nahverkehr, Flughäfen und die bundeseigene Autobahn GmbH könnten gleichzeitig bestreikt werden.

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Gewerkschaftskreise bestätigten dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) entsprechende Medienberichte. „Wenn wir das tun, werden wir Streiks rechtzeitig ankündigen“, hatte EVG-Vize Cosima Ingenschay hingegen der „Bild am Sonntag“ gesagt. An diesem Donnerstag nun gehen Verdi und EVG gemeinsam an die Öffentlichkeit - Thema: „die jeweiligen aktuellen Tarifverhandlungen“, wie sie ankündigten. Am selben Tag endet die erste Verhandlungsrunde im Bahnsektor zwischen der EVG und den Eisenbahn-Unternehmen.

„Das ist eine ungewöhnliche Sache“, sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend. Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: „Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.“ Allerdings könnte ein möglicher gemeinsamer Streiktag „erst einmal eine punktuelle Aktion“ sein, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sagt. Schließlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.

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Streik ab 27. März, 0.01 Uhr

Der Streik soll mit Tagesbeginn am Montag, dem 27. März anfangen. Am Nachmittag muss der Arbeitskampf unterbrochen werden: Dann treffen sich Verdi und Arbeitgeber zur bisher dritten Verhandlungsrunde in Potsdam. Bis zum 29. März soll verhandelt werden.

Der öffentliche Verkehr in großem Umfang. So ist im Bereich der EVG der Fernverkehr auf der Schiene betroffen. Und Verdi kann den öffentlichen Personennahverkehr in mehreren Ländern bestreiken - aber nicht nur. Bereits Anfang März hatte die Gewerkschaft den öffentlichen Nahverkehr in sechs Bundesländern und einigen Städten weitgehend lahmgelegt - damals im Schulterschluss mit den Klimaaktivisten von Fridays for Future. Doch weil auch Kommunalbeschäftigte an Flughäfen im Ausstand waren, waren an mehreren Tagen auch jeweils Zehntausende Flugpassagiere betroffen. Und am Mittwoch war zudem der Hamburger Hafen streikbedingt für große Schiffe gesperrt worden.

Was fordert Verdi im Tarifkonflikt?

Verdi fordert in der laufenden Tarifrunde für die Angestellten von Bund und Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die kommunalen Arbeitgeber hatten bisher ein Angebot vorgelegt, das eine tabellenwirksame Erhöhung von 3 Prozent Ende 2023 und 2 Prozent Mitte 2024 über eine Laufzeit von 27 Monaten vorsieht. Dazu kommt eine Inflationsausgleichsprämie in zwei Raten von 1500 und 1000 Euro.

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Was fordern die Eisenbahner?

Die EVG wird ihre erste Verhandlungsrunde mit den Eisenbahnunternehmen am 23. März abschließen. Den Streiktermin bestätigte die Gewerkschaft offiziell nicht. Die Gewerkschaft hatte Ende Februar die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen begonnen. Ein erstes Angebot des bundeseigenen Konzerns hatte die Gewerkschaft vergangene Woche abgelehnt. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Bahn hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180 000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt 5 Prozent anzuheben sowie Einmalzahlungen von zusammen 2500 Euro in Aussicht gestellt.

Warum streiken dieses Mal die Lokführer der GDL nicht?

Bahnstreik-Urgestein Claus Weselsky und seine Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GdL) sind bei diesem Warnstreik nicht dabei. Die GDL hat im September 2021 nach mehreren Streikrunden einen Tarifvertrag mit der DB abgeschlossen, der eine Lohnerhöhung von 3,3 Prozent und zwei Corona-Prämien vorsieht. Dieser Vertrag gilt bis Oktober 2023. Bei der DB befürchtet man durch einen EVG-Streik weit größere Auswirkungen als durch die GDL-Streikrunden 2021. Die EVG ist nicht nur größer, sondern hat auch mehr strategisch wichtige Berufsgruppen organisiert. Streikende Fahrdienstleiter zum Beispiel könnten einen ganzen Bahnknoten komplett lahmlegen.

Erste Verhandlungsrunde nach nur zwei Stunden unterbrochen

Die erste Verhandlungsrunde zwischen DB und EVG war Anfang März nach nur zwei Stunden unterbrochen worden. Die EVG wollte ohne Angebot des Arbeitgebers nicht weiter verhandeln. Für die Runde am morgigen Dienstag stellte die DB inzwischen ein Angebot in Aussicht. Die Gewerkschaft hat für den Dienstagvormittag zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen.

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Verdi-Chef Frank Werneke scheint seine Gewerkschaft durch die vielen Aktionen der vergangenen Wochen geradezu beflügelt zu sehen - auch Kitas, Kliniken und viele andere Bereiche waren betroffen. „Der Frühling naht, und es kann sein, dass wir uns dann hier noch einmal wiedersehen müssen“, sagte er etwa in Köln auf einer von vielen Kundgebungen. Bereits zuvor hatte er Spekulationen über ein mögliches Scheitern angestellt.

Hamburger Hafen wegen Streik für große Schiffe gesperrt
22.03.2023, Hamburg: Kaum Schiffsverkehr ist auf der Elbe im Hamburger Hafen vor der Elbphilharmonie (M) zu sehen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ruft Besatzung von Lotsenbooten im Hamburger Hafen zu einem Warnstreik auf. Die HPA (Hamburg Port Authority) hat die Elbe für große Schiffe bereits gesperrt. Foto: Daniel Reinhardt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wegen des angekündigten Verdi-Warnstreiks hat die Hafenverwaltung entschieden, dass lotsenpflichtige Schiffe vorerst weder ein- noch auslaufen dürfen.

dbb-Chef Ulrich Silberbach sagte am Mittwoch bei einer Kundgebung in Berlin: „Vor allem die Komplettverweigerung der Kommunen, einen Mindestbetrag auch nur in Erwägung zu ziehen, steht dabei jeder Annäherung im Weg.“ Wie der Tarifexperte Schulten erläutert, hat die Friedenspflicht bereits mit dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags geendet. Rechtlich stehe Warnstreiks auch während der Verhandlungen nichts im Weg.

Auch die EVG betonte zuletzt immer wieder ihre Bereitschaft zum Warnstreik als „letztes Mittel“. Dass die Gefahr weitreichender Arbeitsniederlegungen im Schienenverkehr bestehe, sei jedoch Verantwortung der Deutschen Bahn, teilte die Gewerkschaft mit. Die Bahn würde „getroffene Absprachen einfach ignorieren“, sagte demnach EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch. „Das ist in höchstem Maße unprofessionell.“ EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay kritisierte mangelnde Disziplin bei der Deutschen Bahn mit Blick auf den engen Terminplan der Verhandlungen. „Das scheint die Taktik des Arbeitgebers zu sein. Er nimmt billigend in Kauf, dass die Eisenbahnen bestreikt werden, und glaubt, uns dafür die Schuld in die Schuhe schieben zu können, in dem er meint, uns nun an den Verhandlungstisch zurückrufen zu können.“

Pro Bahn fordert ausreichende Streikfahrpläne

Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert gegenüber dem RND Streikfahrpläne, damit Pendlerinnen und Pendler weiterhin ihr Ziel erreichen. „Wir brauchen mindestens ein Grundangebot für Leute, die kein Auto haben oder körperlich beeinträchtigt sind“, sagte der Bundesvorsitzende Detlef Neuß. Das betreffe mit Blick auf kürzere Wege auch Menschen, die kein Fahrrad mehr fahren können. „Wir brauchen keinen 10-Minuten-Takt“, sagte Neuß zu den Forderungen nach einem Streikfahrplan. Aber gerade in der Hauptverkehrszeit solle es zumindest stündlich oder halbstündlich ein Angebot geben.

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Im öffentlichen Dienst kommen die hohe Inflation, die schwierige Personalgewinnung, aber auch die angespannte Haushaltslage vieler Kommunen zusammen - Tarifexperte Schulten sagt: „Es ist ein sehr zugespitzter Verteilungskonflikt“. Er erinnert an den Ablauf bei der Post: Hier hatten sich die Verdi-Mitglieder bereits per Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Doch dann folgte kurzerhand eine weitere Verhandlungsrunde - und eine Einigung. So etwas sei auch beim öffentlichen Dienst denkbar. Falls es in Potsdam kommende Woche keine Einigung gibt, würde aber wohl zuerst der Versuch einer Schlichtung unternommen, meint Schulten.

mit dpa-Material

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