Vier-Punkte-Plan von CDU/CSU

Wahlrechtsreform: Unionsvorschlag stößt auf Ablehnung

Ampel und Union streiten über Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages (Symbolbild).

Ampel und Union streiten über Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages (Symbolbild).

Als die Ampelfraktionen vor einigen Tagen ihren Entwurf für eine große Wahlrechtsreform veröffentlichten, gab man sich in der Union empört. In der CSU sprach man sogar von „Wahlfälschung“, eine Verfassungsklage steht im Raum. Auch in der Fraktionssitzung der Union war die Aufregung groß, berichten Teilnehmende. Immerhin würden nach den Plänen der Ampel, so die Union, insbesondere zahlreiche CSU-Politikerinnen und -Politiker ihre Bundestagsmandate verlieren.

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Union rückt von ursprünglicher Idee ab

Zur Verkleinerung des Bundestags sieht der Gesetzentwurf der Regierungskoalition vor, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr gibt. Damit wird der Bundestag auf 598 Sitze festgedeckelt. Das bisherige Zweitstimmen- und künftige Hauptstimmen-Ergebnis gibt vor, wie viele der 598 Mandate jeder Partei bundesweit zustehen und wie sich diese auf die einzelnen Landeslisten verteilen.

Gewinnt eine Partei weniger Wahlkreise direkt, als ihr Bundestagssitze zustehen, werden die restlichen Mandate über die Liste verteilt. Holt sie aber mehr Direktmandate als ihr nach Hauptstimmenergebnis zustehen, kann es dazu kommen, dass einige direkt gewählte Abgeordnete keinen Sitz im Bundestag erhalten. Das lehnt die Union strikt ab.

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Nachdem sie von der Ampel zu gemeinsamen Gesprächen eingeladen worden war, hat die Union nun einen Gegenvorschlag für die Wahlrechtsreform gemacht. Nach RND-Informationen traf sich die CDU/CSU-Fraktionsführung am Donnerstag mit den Fraktionen von SPD, Grünen und FDP. Dabei rückte sie von ihrer bisheriger Forderung eines Zwei-Stimmen-Wahlrechts ab und brachte stattdessen einen Vier-Punkte-Vorschlag ins Spiel. Das geht aus einem Fraktionspapier hervor, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Zuvor hatten das Medienhaus Table.Media und die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.

So fordern CDU und CSU die Reduzierung der Wahlkreise von derzeit 299 auf 270. Zudem wollen sie bis zu 15 Überhangmandate unausgeglichen lassen, wie aus dem Papier hervorgeht. Diese Mandate entstehen bisher, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Bundestagssitze zustehen. Weil eine hohe Zahl an Überhangmandaten aber das Wahlergebnis verzerren kann, gibt es bislang für jedes davon so viele Ausgleichsmandate für die anderen Parteien, bis die Sitzverteilung wieder dem Votum entspricht – bis zu 16 Ausgleichsmandate kamen so auf ein Überhangmandat. Sie nicht mehr auszugleichen, würde aber wieder dazu führen, dass das Zweitstimmenergebnis verzerrt wird – zugunsten von CDU und CSU.

Konstantin Kuhle

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle.

Kuhle: Union beharrt auf „Sonderbehandlung“

Die Ampel lehnt den Unionsentwurf deshalb auch ab. „Die Gesprächsbereitschaft von CDU und CSU ist ein wichtiges Signal“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zwar. „Leider bevorzugt der vorgelegte Vorschlag einseitig die Unionsfraktion, weil er unausgeglichene Überhangmandate enthält, von denen die meisten auf der Grundlage des letzten Wahlergebnisses an die Union fallen würden.“

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Kuhle kritisierte den Umgang der Union mit der Wahlrechtsreform: „Eine Einigung zwischen der Ampelmehrheit und der größten Oppositionsfraktion wird umso wahrscheinlicher, je weniger CDU und CSU auf einer Sonderbehandlung für die eigenen Parteien beharren“, betonte der Bundestagsabgeordnete. „Das Wahlrecht ist eine wichtige Säule der Demokratie. Veränderungen am Wahlrecht sollten möglichst gemeinsam von Regierungs- und Oppositionsfraktionen beschlossen werden.“

Vorschlag sorgt bei der Linksfraktion für Ärger

Darüber hinaus schlägt die Union vor, die Grundmandatsklausel auf fünf gewonnene Wahlkreise erhöhen. Bisher können Parteien, die die Fünfprozenthürde nicht erreichen, bei drei gewonnenen Direktmandaten auf Basis ihrer Zweitstimmen in den Bundestag einziehen. Die Union will die Hürde auf fünf Wahlkreise erhöhen. Auch hier würde die CSU profitieren: Im Jahr 2021 erreicht die Partei, die allein in Bayern antritt, bundesweit gerechnet 5,2 Prozent. Doch selbst wenn sie bundesweit unter die Fünfprozenthürde fallen würde, wäre ihr Einzug aufgrund der vielen Direktmandate sicher.

Anders bei der Linkspartei: Sie ist nach der letzten Bundestagswahl nur eingezogen, weil sie die drei Direktmandate erlangt hat. Nach der Regel der Union wäre sie nicht im Bundestag. „Mit dem neuen Vorschlag offenbaren sich die Unionsparteien als prinzipienloser Opportunistenhaufen. Noch am Anfang der Woche stellte CSU-Generalsekretär Martin Huber die Ampelregierung in eine Reihe mit Schurkenstaaten, weil er die Unionsparteien vom Ampelvorschlag benachteiligt sah, jetzt fordern die Unionsparteien selbst eine Wahlrechtsänderung, die andere Parteien benachteiligen soll“, sagte die Linksparteichefin Janine Wissler dem RND. „Das Wahlrecht zu ändern, um politische Gegner zu benachteiligen, ist undemokratisch.“

Jede Stimme, die nicht im Parlament repräsentiert werde, sei ein Verlust für die Demokratie, mahnte Wissler. „Demokratische Parteien sind in der Verantwortung, sich gemeinsam für ein Wahlrecht einzusetzen, das die bestmögliche Vertretung des Wählerwillens ermöglicht. Um politische Entscheidungen ringen wir im Parlament, nicht im Wahlrecht. Der Vorschlag der Union zur Wahlrechtsreform ist einer demokratischen Partei nicht würdig.“

Linken-Politiker Korte hält Vorschlag für „absurd“

Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, nannte den Vorschlag der Union gegenüber dem RND „bemerkenswert einfallslos“. Die Union bleibe ihrer Linie treu, keine zukunftsfähigen Konzepte zu haben und zuerst an sich selbst zu denken. „Es ist absurd, dass im ganzen Land Wahlkreise wegfallen sollen, nur damit die Regionalpartei CSU weiterhin überproportional im Bundestag vertreten sein kann“, kritisierte Korte. Der Vorschlag, die Grundmandatsklausel auf fünf anzuheben, zeige, dass die Union das Wahlrecht nicht als demokratisches Instrument versteht, sondern als machtpolitisches Mittel. Das sei eine Denke wie bei den Trump-Republikanern in den USA, über das Wahlrecht zu versuchen, die eigene Macht zu erhalten.

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Eine weitere Möglichkeit zur Verkleinerung des Bundestages sieht die Union darin, den Zuteilungsschritt der Sitze zu optimieren. Demnach würden bei der Sitzverteilung in einem ersten Schritt für die Bundesländer Kontingente vergeben. „Nach der Wahl werden die Sitze auf die Landeslisten der Parteien zunächst getrennt und dann verrechnet vergeben“, heißt es.

Die CSU hatte sich in der letzten Legislaturperiode gegen eine Reform gestellt. Mit ihr war nur eine Minimallösung möglich. Nun liegt die Wahlrechtsreform in der Hand der Ampel – und die Union kann lediglich hoffen, dass die Koalitionäre einen Schritt auf sie zugehen.

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