Lost Places: 10 faszinierende Geisterstädte in Italien
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Imposanter Anblick: Die Geisterstadt Craco thront auf der Spitze eines Felsens und begeistert nicht nur Hollywood.
© Quelle: imago images/Panthermedia
Aus der Ferne sind sie mit bloßem Auge manchmal kaum zu erkennen: Ton in Ton schmiegen sie sich an die Hänge sandsteinfarbener Berge, nichts regt sich, es herrscht gespenstische Stille. Die Zeit in den verlassenen Dörfern Italiens scheint stillzustehen, ein Besuch gleicht einer Reise in die Vergangenheit. Etwas Mystisches umgibt die Los Places, in denen einst trubeliges Dorfleben herrschte.
Ob Naturkatastrophen wie Erdbeben und Überflutungen, Landflucht oder wirtschaftlicher Misserfolg: Jedes Dorf hat seine ganz eigene Geschichte. An mancher Stelle wird versucht, die Orte wiederzubeleben, andere sollen verkauft werden. Eines ist den meisten jedoch gemein: Sie sind umgeben von atemberaubender Landschaft. Wir stellen dir zehn besonders schöne verlassene Dörfer in Italien vor.
1. Leri Cavour – Piemont
Alte Prachtbauten treffen auf moderne Kühltürme: Das Geisterdorf Leri Cavour in Piemont ist ein Ort der Gegensätze. Während die verlassenen Häuserruinen und die halb zerstörte Kirche an die Vergangenheit erinnern, markieren die zwei gigantischen Kühltürme in der Landschaft den Versuch, das Dorf wiederzubeleben. Ein gescheitertes Unterfangen.
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Zunächst von Mönchen bewohnt, riss später Napoleon den Ort mit florierender Landwirtschaft an sich, wie etwa „Atlas Obscura“ berichtet. Schon bald wurde er an seinen Namensgeber, den Marquis Michele Benso di Cavour, verkauft.
Unter dem neuen Eigentümer erblühte der Ort. Der Marquis ließ Kirchen, Häuser und eine prachtvolle Villa errichten, deren Überreste noch heute von der prunkvollen Zeit zeugen. In „seinem“ herrschaftlichen Dorf empfing di Cavour laut „La Stampa“ andere Adlige, Könige oder auch den bekannten Komponisten Giuseppe Verdi.
Mit dem Tod de Marquis war auch das Dorf dem Untergang geweiht. Die Landwirtschaft brachte kaum noch Gewinne ein und die verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohner mussten ihre Heimat notgedrungen in den 60er-Jahren verlassen. Seitdem wurden die leer stehenden Gebäude wiederholt geplündert und beschädigt.
Daher dürfen Besucherinnen und Besucher nur noch mit einer erteilten Berechtigung das Gelände betreten, zudem wurden Kameras installiert, um gegen Vandalismus vorzugehen.
2. Roghudi Vecchio – Kalabrien
Lang gestreckt auf dem Kamm eines Hügels inmitten von Kalabrien liegt die Geisterstadt Roghudi Vecchio. Über gewundene Straßen im Nationalpark Aspromonte gelangt man in das verlassene Dorf, das in den 70er-Jahren durch zwei heftige Überschwemmungen unbewohnbar wurde. Fast alle Häuser wurden damals aufgegeben und dem Verfall überlassen. Wer überlebte, zog in das rund 18 Kilometer entfernte Roghudi Nuovo.
Die Fenster sind leer und dunkel, blicken in die felsige Umgebung Süditaliens. Weit ab von Zivilisation und Tourismus holt sich die Natur nach und nach ihr Land zurück. Dächer sind eingestürzt oder weggeweht, die karge Vegetation hat sich ins Innere der Häuser vorgearbeitet.
Ein Besucher berichtet bei „Tripadvisor“ davon, dass die Türen der meisten Häuser offen stünden und man hineingehen könne. „Eine echte Zeitreise. In einer ehemaligen Bar fanden wir viele Coca-Cola-Glasflaschen, die typischen, die es heute nicht mehr gibt.“
3. Craco – Matera
Diesem Ort haftet definitiv etwas Mystisches an. Gespenstisch thronen die Ruinen auf einem Berg in der Provinz Matera. Nach zwei Erdrutschen in den 60er- und 70er-Jahren verließen die Einwohnerinnen und Einwohner Craco. Zurück blieben ihre Häuser, umgeben von Stille und weiter Landschaft.
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Die Überreste der Stadt Craco sind dem Verfall überlassen.
© Quelle: imago images/Clickalps SRLs
Obwohl die Geisterstadt schon lange dem Verfall überlassen wurde, hat sich Craco einen Namen gemacht und ist vor allem in der Filmszene beliebt. Der kleine Ort diente unter anderem als Kulisse für den Bond-Streifen „Ein Quantum Trost“ oder das umstrittene Werk „Die Passion Christi“ von Mel Gibson.
Wer Craco besuchen möchte, kann für eine Spende von mindestens 10 Euro eine Eintrittskarte erwerben. Mit einer geführten Tour geht es über die historische Hauptstraße Via di Mazza durch den Ort vorbei an den Häuserruinen bis zum höchsten Punkt der Geisterstadt. Dort thront ein mittelalterlicher Turm, der den Besucherinnen und Besuchern einen spektakulären Blick über die Landschaft ermöglicht.
4. Pentedattilo – Kalabrien
Ganz oben auf dem Monte Calvario, dessen besonderer Form er seinen Namen verdankt, liegt das Dorf Pentedattilo. Wie fünf riesige steinerne Finger streckt sich die Bergklippe gen Himmel. Der Großteil der Häuser dort ist verfallen, scheint sich im rauen Bergmassiv aufzulösen.
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Pentedattilo bedeutet so viel wie fünf Finger und spielt auf die Felsformation über dem Ort an.
© Quelle: imago images/Mikphoto
Bei einem starken Erdbeben wurde das Dorf 1783 schwer beschädigt. Die Menschen zogen runter ins Tal, siedelten sich im Schatten ihres alten Heimatdorfes neu an. Seit ein paar Jahren wird dem Ort wieder etwas Leben eingehaucht: Lokale Handwerksbetriebe, ein Restaurant und kleine Geschäfte sind in die Steinhäuser der Geisterstadt zurückgekehrt.
Trotz der Sanierung einiger Häuser hat Pentedattilo nichts von seinem mystischen Wesen verloren. Die Überreste der alten Burg, die über eine steile Treppe zu erreichen sind, jahrtausendealten Kirchen und Ruinen der Wohnhäuser sorgen für gespenstische Stimmung.
Jedes Jahr macht hier das Wanderfestival Paleriza, eine wichtige Kulturveranstaltung von Kalabrien, halt und auch das Pentedattilo-Filmfestival hat den Charme der kargen Umgebung für sich entdeckt. Lediglich im Frühjahr erwacht die felsige Landschaft zu Leben. Dann blühen Ginster, Mimosen und Mandelbäume, Brombeeren, Kaktusfeigen und Olivenbäume überziehen die Landschaft mit einem grünen Schleier.
5. Valle di Piola – Abruzzen
Im Herzen des Nationalparks Gran Sasso in Mittelitalien liegt das verlassene mittelalterliche Dorf Valle di Piola. Besucherinnen und Besucher finden hier vor allem eins: Ruhe und Frieden und ungehinderten Blick auf die umliegenden Täler, Berge und den angrenzenden Wald.
Und, sehr kurios: Der Ort steht zum Verkauf. 15 Häuser, eine Kirche und eine Wassermühle befinden sich im gepflasterten Zentrum von Valle di Piola und können für 550.000 Euro den Besitzer wechseln.
Zugegeben: Die Gebäude aus dem Jahr 1200 sind nicht mehr im allerbesten Zustand, aber immerhin wurden sie noch bis in die 70er-Jahre bewohnt. Dann zog auch die letzte Familie aus diesem malerischen Ort fort. Um den Ort wieder bewohnbar zu machen, müsste wohl ein Vielfaches des Kaufpreises investiert werden.
Die Lage könnte durchaus schlechter sein: 75 Minuten sind es zum nächsten Flughafen in Pescara, eine unebene Straße führt bis zum verlassenen Dorf. Auch Strom- und Telefonanschlüsse gibt es hier bereits – sie wurden allerdings seit knapp 50 Jahren nicht mehr genutzt. Findet sich kein Käufer, wird diese historische Stätte wohl weiter verfallen und zumindest als Touristenattraktion für Lost Places erhalten bleiben.
6. Lucchio - Toskana
Die verfallenen Häuser von Lucchio scheinen geradezu am Berghang zu kleben. Aus der Ferne ist der Ort nicht zu erkennen, weshalb Lucchio auch „das unsichtbare Dorf“ genannt wird. Erst wenn du dich nach einer Fahrt durch die toskanische Landschaft, vorbei an der wunderschönen mittelalterlichen Stadt Lucca, am Fuße des Felsens befindest, taucht der Ort plötzlich vor dir auf.
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Immer den Berg hinauf: Der Ort Lucchio liegt entlang einer Felswand. Steile Gassen und Treppen führen durch den verlassenen Ort.
© Quelle: imago images stock&people
Entsprechend seiner Lage ziehen sich viele kleine steile Straßen durch den Ort, die man nur zu Fuß erklimmen kann. Mit Steinen gepflasterte Wege ziehen sich durch enge Häusergassen, entlang der Felswand oder auch knapp neben dem steilen Abgrund in die Tiefe.
Am Kopf des Ortes thronen die Überreste der Burg von Lecchio. Auch wenn der Aufstieg etwas beschwerlich ist, lohnt sich die Mühe: Von hier oben bietet sich dir ein spektakulärer Ausblick über die Toskana. Und nach deinem Aufstieg kannst du dich unten am Ortseingang in der Bar des Ortes stärken.
7. Consonno – Lombardei
Consonno – die Stadt, deren Plan nicht aufging. In den Sechzigerjahren kaufte ein gutsituierter Graf das kleine ruhige Bauerndorf auf, um es in ein Entertainment-Paradies zu verwandeln – das Las Vegas Italiens. Die Bevölkerung wurde zur Umsiedlung gezwungen, fast alle Gebäude, bis auf die Kirche und ein paar wenige Häuser, wurden dem Erdboden gleichgemacht. An ihrer Stelle entstanden mehrstöckige Häuserzeilen, Restaurants und ein Casino.
Doch das Vorhaben scheiterte: Wo sich einst die High Society des Landes amüsierte, herrscht heute gähnende Leere. Am Eingang der verwaisten Vergnügungsstadt heißt es: „In Consonno ist alles ein Wunder.“ Und die Bauten, die sich alle an anderen Kulturen und Stilen orientieren, sind wirklich wunderlich, wirken deplatziert in der Landschaft Norditaliens.
Ein Erdrutsch zerstörte die einzige Zufahrtsstraße. Der Graf und die Region konnten sich nicht einigen, wer für die Wiederherstellung aufkommt. Und so blieb der Entertainment-Park unerreichbar. Pläne für einen Zoo, eine Reithalle und den Nachbau einer Sphinx konnten nicht mehr umgesetzt werden.
Heute erwacht die skurrile Parkanlage in manchen Nächten als Partylocation zum Leben.
8. Bussana Vecchia – Ligurien
Der Weg nach Bussana Vecchia ist nicht unbedingt komfortabel: Ein ehemaliger Eselpfad führt den Hügel hinauf. Je höher du steigst, umso spektakulärer wird die Aussicht über die ligurische Landschaft und das Meer. Nach rund 20 Minuten zu Fuß erreichst du das mittelalterliche Dorf, das Ende des 19. Jahrhunderts infolge eines starken Erdbebens zerstört wurde.
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Seit den Sechzigern wird das Geisterdorf Bussana Vecchia von Hippies, Künstlern und Aussteigern besetzt.
© Quelle: imago images stock&people
Anstatt das alte Dorf wieder aufzubauen, zogen seine Einwohnerinnen und Einwohner runter ans Meer und errichteten dort ein neues Bussana. Die Häuserruinen oben auf dem Hügel wurden sich selbst überlassen, bis einige Künstlerinnen und Künstler in den 50er-Jahren die Faszination des Ortes für sich entdeckten und ihn zum Teil aus den Trümmern wieder aufbauten.
Auch wenn es inzwischen wieder einige intakte Wohnhäuser, Ateliers, Kunstgeschäfte und sogar ein Restaurant gibt, sind die Ausmaße des verheerenden Erdbebens noch immer an vielen Ecken zu erkennen. Am deutlichsten wohl bei der Kirche Sant‘Egidio, von der nur noch ein dachloser Rumpf übrig geblieben ist, der die mit aufwendigem Stuck verzierten Wände freigibt.
9. Campomaggiore Vecchio – Potenza
Skelettartig stehen die Überreste des Dorfes Campomaggiore Vecchio in der sanften Hügellandschaft von Potenza. Nur für 144 Jahre wurde dieser Ort bewohnt, bevor ein Erdrutsch die Menschen dazu zwang, ihre Häuser für immer aufzugeben. Mehrere Meter wurden die Gebäude Richtung Tal mitgerissen und von der Naturgewalt zerstört.
Rund um die Kirche Santa Maria del Carmelo wurden die Grundstücke im Schachbrettmuster angelegt. Jedes Haus besaß einen eigenen Garten zur Bewirtschaftung.
Heute erzählen Geschichten und Comics auf Tafeln in der Geisterstadt von der Vergangenheit der Gebäude, „um den Menschen heute von der Zerbrechlichkeit zu erzählen, die das Leben mit sich bringt, aber auch von der Kraft der Träume und der Hoffnung“, heißt es auf der Website.
Während du tagsüber das Gelände mit einem Audioguide erkunden kannst, erstrahlt das Dorf abends in der Poesie der Lichtkunst. Wie Tausende funkelnde Sterne legen sich die Lichtinstallationen über die Gerippe des ehemaligen Dorfes und hüllen es in einen wunderbaren Glanz.
10. Gairo Vecchio – Sardinien
Verlassene Orte gibt es auf Sardinien einige, doch Gairo Vecchio ist der wohl bekannteste unter ihnen. Dem Dorf im Osten der Insel wurde ein tagelanger Dauerregen zum Verhängnis. Sechs Tage lang wütete im Oktober 1951 ein heftiges Unwetter auf der Insel. Stauseen überschwemmten, die Ernte wurde vernichtet, Feldwege ausgewaschen, Orte waren unerreichbar, wie unter anderem der „Sardinien Reporter“ berichtet.
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Der Ort Gairo Vecchio wurde damals in einem Schachbrettmuster angelegt. Jede Familie erhielt ihren eigenen Garten zur Selbstversorgung.
© Quelle: imago images/CSP_Krivinis
Gairo Vecchio traf es dabei besonders hart: Eine riesige Schlammlawine begrub gut die Hälfte des Dorfes unter sich, die Häuser wurden unbewohnbar, die Einwohnerinnen und Einwohner zogen fort. Allerdings erzählt man sich in der Gegend, dass die Stimmen der Einwohnerinnen und Einwohner von damals noch immer zu hören seien.
Solltest du durch die gespenstischen Straßen des verlassenen Ortes streifen und tatsächlich Stimmen hören, dürfte es sich wohl weniger um einen Geist als vielmehr einen Rentner oder eine Rentnerin handeln, die ihren alten Gemüsegarten hegen und pflegen.
Denn auch wenn die inzwischen windschiefen Häuser mit fehlenden Dächern, Fenstern und Türen unbewohnbar sind, hat es die Bewohnerinnen und Bewohner wieder zurück in ihre alte Heimat gezogen. Die Gärten werden bewirtschaftet, Pflanzen gegossen und Unkraut gejätet. Auch ein halbes Jahrhundert nach dem Untergang von Cairo Vecchio blühen hier Schwertlilien, Kletterrosen und Feigenbäume tragen Früchte.
Lost Places sind nicht ungefährlich
Die zum Teil jahrhundertealten Gebäude in den verlassenen Orten bergen so manche Gefahr. Sie sind oft einsturzgefährdet und nicht gesichert. Neben der Verletzungsgefahr kann der Besuch von Lost Places auch strafrechtliche Probleme nach sich ziehen. Wer ungebeten ein Grundstück betritt, kann sich eine Strafe wegen Hausfriedensbruch einhandeln – gewaltsames Eindringen zählt sogar als Einbruch. Bevor du also einen Lost Place erkundest, informiere dich besser über die Besitzverhältnisse.
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