Monsanto-Kauf als erste Amtshandlung

Der Glyphosat-Mann tritt ab: Warum Bayer-Manager Baumann gehen muss

Werner Baumann.

Werner Baumann

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Hannover. Werner Baumann wird sich wohl mit guten Zahlen verabschieden. Wenn der Konzernchef am Dienstag seine letzte Bayer-Bilanz präsentiert, ist mit einem Rekordgewinn zu rechnen. „Bayer erlebt ein ausgesprochen starkes Geschäftsjahr“, hatte er schon im vergangenen Herbst vermeldet. An der Börse wartet man dennoch auf den für Ende Mai geplanten Abschied des 60‑Jährigen: Die Ära Baumann steht für den teuren Kauf des US‑Konkurrenten Monsanto – und damit vor allem für Probleme und Wertverlust.

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Damit muss sich von Juni an der US-Pharmamanager Bill Anderson auseinandersetzen. Er kommt, wie es viele Kritiker gefordert hatten, von außen: Der 56‑Jährige führte zuletzt die Pharmasparte des Schweizer Roche-Konzerns und war Chef von dessen Biotech-Tochter Genentech. Ob er die unterschiedlichen Erwartungen der Baumann-Kritiker erfüllen kann, ist allerdings fraglich. Denn offenbar steht weder die von Investoren erhoffte Aufspaltung des Konzerns noch das von Umweltschützern geforderte Ende des Unkrautvernichters Glyphosat zur Diskussion.

Glyphosat: das Großrisiko auch für den Konzern

Der Monsanto-Kauf war quasi Baumanns erste Amtshandlung, als er im Frühjahr 2016 an die Bayer-Spitze rückte. Drei Wochen nach dem Start gab er ein offizielles Angebot ab, stockte es später noch auf und bekam im Herbst den Zuschlag für 66 Milliarden Dollar (rund 60 Milliar­den Euro). Das Geschäft weckte allerdings vom ersten Tag an Skepsis. Der Preis galt als zu hoch, und manche verwiesen damals schon auf das juristische Großrisiko Glyphosat. Die Aktie blieb fortan unter Druck, heute ist der gesamte Konzern an der Börse etwas weniger wert, als Bayer damals allein für Monsanto bezahlte.

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Reihenweise ist Monsanto – und damit Bayer – von Menschen verklagt worden, die ihre Krebserkrankung auf die Verwendung des Unkrautvernichters Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat zurückführen. Der Konzern beharrt bis heute darauf, dass es bei sachgemäßer Anwendung kein Krebsrisiko gebe. Auch die Kritik von Umweltschützern, das Herbizid vernichte Artenvielfalt, weist Bayer zurück. In den USA hat der Konzern viel Geld für außer­gerichtliche Vergleiche gezahlt, Milliarden sind in der Bilanz dafür zurückgestellt. Und obwohl Bayer auch Erfolge vor Gericht verbuchte, bekam man das Thema nie in den Griff. Vor allem scheiterte der Versuch, neue Klagen für die Zukunft auszuschließen.

Bayer behält drei Standbeine bei

Baumann blieb genauso unter Druck wie der Bayer-Kurs. Die Hauptversammlung 2019 endete mit einem Eklat, als Aktionärinnen und Aktionäre dem Vorstandschef die Entlastung verweigerten. Jetzt geht er ein Jahr früher als geplant. Seit Monaten treten sogenannte aktivistische Investoren auf den Plan: Mehrere Fonds sind bei Bayer eingestiegen und fordern die Aufspaltung des Unternehmens. Ihr Kalkül: Bayer als Pharmakonzern und ein Spezialist für Agrarchemie mit Monsanto als Kern wären insgesamt mehr wert als beides unter einem Dach. Damit es so kommt, forderten sie einen Baumann-Nachfolger von außen.

Doch der wird ihnen den Gefallen offenbar nicht tun. Anderson selbst hat sich zwar noch nicht zu seinen Plänen geäußert, aber im Aufsichtsrat, der den neuen Chef ausgesucht hat, gilt die alte Strategie weiterhin. „Aus Sicht der Beschäftigten ist Bayer mit seinen drei Stand­beinen genau richtig aufgestellt für die Herausforderungen der Zukunft“, sagte Francesco Grioli kurz nach Andersons Berufung der „Rheinischen Post“. Der Gewerkschafter ist nicht nur Vorstandsmitglied der IGBCE, sondern auch Mitglied im Bayer-Aufsichtsrat.

Die „drei Standbeine“ sind neben der Agrarchemie das ähnlich große Pharmageschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten und die kleinere Sparte Consumer Health mit rezeptfreien Medikamenten. An dieser Struktur will auch der Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Winkel­johann nicht rütteln. Die „Entwicklung zu einem integrierten Life-Science-Unternehmen“, bleibe das Bayer-Ziel, sagte der Wirtschaftsprüfer und frühere Chef von PwC Deutschland in der Hauptversammlung vor einem Jahr.

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Mögliche Integrationsfigur für alle Sparten

Anderson kommt zwar aus der Pharmabranche, gilt mit seinen Erfahrungen in der Biotech­nologie aber als mögliche Integrationsfigur für alle Sparten. Bisher jedenfalls bekommt der 56‑Jährige Vorschusslorbeeren. Das „könnte der Befreiungsschlag sein, auf den Investoren gewartet haben“, sagte etwa Markus Manns von der Fondsgesellschaft Union Investment. Er habe in den USA das nötige Netzwerk und das Know-how, um Bayer innovativer zu machen. Bayers Pharmachef in den USA, Sebastian Guth, hat in der „FAZ“ schon mal angekündigt, dass sich der Umsatz seiner Sparte dort bis Ende des Jahrzehnts verdoppeln werde.

Unterdessen hat das Geschäft mit Glyphosat allerdings nicht an Bedeutung verloren, im Gegenteil: In Baumanns letztem Amtsjahr glänzte vor allem die Agrarsparte namens Crop Science. „Bei den Herbiziden erzielten wir erhebliche Zuwächse durch Preissteigerungen“, hieß es in der Zwischenbilanz zum dritten Quartal. Es gebe ein „anhaltend positives Markt­umfeld für unsere glyphosathaltigen Produkte“. Die Börse reagierte im vergangenen November allerdings wie immer auf das G‑Wort: Der Bayer-Kurs fiel.

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