Kommentar

Lindners Herz für die Ölmultis

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Es war ein hartes Jahr für Autofahrer, und es ist noch nicht vorbei. Zwar sinken die Preise an den Zapfsäulen seit einigen Wochen wieder, die Schwankungen aber sind nach wie vor enorm. Jeder, der auf das Auto angewiesen ist, hat in den vergangenen Monaten wohl irgendwann einmal diese stille Wut gespürt. Auf Russlands Präsident Wladimir Putin, dessen Angriffskrieg auf die Ukraine die Energiekrise ausgelöst hat, aber auch auf die Mineralölgesellschaften, die davon so gnadenlos profitieren.

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Shell, Total, BP – sie alle verbuchen in diesem Jahr Rekordgewinne. Das Geld fließt derart umfangreich in die Kassen der Ölmultis, dass diese selbst milliardenschwere Abschreibungen auf Geschäftstätigkeiten in Russland achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Fast schon vergessen scheinen die Zeiten, in denen über einen Niedergang von Big Oil spekuliert wurde. Derzeit befindet sich die Branche in einem unverhofften neuen Ölrausch.

Schon früh im Jahr machte das Wort der „Übergewinne“ die Runde. Gemeint sind damit Erlöse, die nicht auf zusätzliche Geschäftstätigkeit zurückzuführen sind, sondern einzig auf die Entwicklung der Preise. Diese leistungslosen Gewinne zu besteuern und damit einen Teil der Krisenkosten zu bezahlen, diese Forderung linker Politikern und Ökonomen wurde zunehmend populär.

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Erst kämpfte Lindner wie ein Löwe, dann änderte sich sein Wording

Wie ein Löwe dagegen gekämpft hat ausgerechnet der deutsche Finanzminister Christian Lindner, der ja eigentlich qua Beruf ein Interesse an der Erhöhung der staatlichen Einnahmebasis haben sollte. Doch Lindner stellte sich wieder und wieder gegen eine Steuer auf Übergewinne. Er warnte wahlweise vor Willkür im Steuerrecht oder gar vor einem Ende der sozialen Marktwirtschaft.

Erst als dem FDP-Chef dämmerte, dass nicht nur Öl- und Gasproduzenten, sondern auch Betreiber von Wind- oder Solarparks von den Marktturbulenzen profitieren, änderte sich seine Wortwahl. Von einer „Übergewinnsteuer“ wollte er zwar noch immer nichts wissen, die „Abschöpfung von Zufallsgewinnen“ aber erschien ihm plötzlich ratsam. Man müssen den „Renditeautopiloten am Strommarkt abschalten“, forderte Lindner nun.

EU-Kommission schlägt Gaspreisdeckel im EU-Großhandel vor

Der Vorschlag sieht einen Maximalpreis für Gas vor, das einen Monat im Voraus gehandelt wird.

Nach monatelange Verhandlungen in Berlin und Brüssel, ist es jetzt so weit: Glänzend verdienende Energieunternehmen müssen ihren Beitrag zur Finanzierung der Krise leisten. Doch Überraschung: Während Lindner bei grünem Strom und Kernkraft entschieden hinlangt, hält er sich bei Gas und Öl vornehm zurück. „Möglichst schonend“ wolle der Finanzminister die Solidaritätsabgabe für fossile Unternehmen gestalten, lässt sein Ministerium nun wissen.

Weniger hätte er nicht kassieren dürfen

20 Prozent mehr Gewinn als im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 gesteht Lindner den Unternehmen ohne weitere Abgabe zu. Erst darüber hinaus anfallende Gewinne will er mit 33 Prozent Steuern belasten. Es ist die Minimalregelung, die die europäische Union ihm vorschreibt. Weniger hätte er gar nicht kassieren dürfen. Mit Zusatzeinnahmen von gerade einmal einer Milliarde Euro rechnen das Finanzministerium. Angesichts der gewaltigen Gewinne und der exorbitanten Kosten dieser Krise ist das ein schlechter Witz.

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Ja, es stimmt, die großen Ölkonzerne haben allesamt ihren Unternehmenssitz im Ausland und bezahlten dort den Großteil ihrer Steuern. Und trotzdem wäre mehr drin gewesen, wie schon der Steuersatz am unteren Ende der Möglichkeiten zeigt.

Lindner, der sich gerne als Freund der Autofahrer geriert, offenbart gerade, dass ihm die Ölindustrie noch ein bisschen näher steht. Politisch klug ist das nicht. Der eine oder andere wird sich daran erinnern, wenn ihn wieder die Benzinwut packt.

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