Nach Forderungen des Arbeitgeberverbandes

Auch Luftfahrtverband spricht sich für Begrenzung des Streikrechts aus

Eine Kundgebung von Verdi am Flughafen Frankfurt.

Eine Kundgebung von Verdi am Flughafen Frankfurt.

Berlin. Während viele Kommunen vor den nächsten Streiks stehen, sorgt die derzeitige Streikwelle in Deutschland für heftige Debatten: Nach dem Arbeitgeber-Spitzenverband BDA bringt nun auch der Luftfahrt­verband BDL Einschränkungen beim Streikrecht ins Gespräch: In einem Papier, das dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) vorliegt, fordert der BDL unter anderem einen verpflichtenden Schlichtungs­versuch. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sehen darin jedoch eher Stimmungsmache als juristische Argumentationen.

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Den Luftverkehrs­unternehmen schwebt vor, dass vor Arbeits­niederlegungen zunächst eine Schlichtung angestrebt wird: Bei der versuchen Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammen mit unparteiischen Schlichtern, eine Einigung in Tarifkonflikten herbeizuführen.

Während des Schlichtungs­verfahrens dürfe nicht gestreikt werden – und Arbeitskämpfe dürften nur dann eingeleitet werden, wenn die Empfehlung nicht akzeptiert werde, heißt es im BDL-Papier. Auch fordert der BDL Ankündigungs­fristen für Streiks sowie Notstands­vereinbarungen, um die „notwendige Grundversorgung der Allgemeinheit“ im Luftverkehr zu gewährleisten.

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Luftfahrtverband BDL schließt sich Arbeitgeberforderungen an

Damit schließt sich der BDL im Wesentlichen dem Arbeitgeberverband BDA an – obgleich BDL-Präsident Jost Lammers gegenüber dem RND die Besonderheiten der Luftfahrt­branche hervorhob: Zwar gebe es in nahezu jedem Bereich des Luftverkehrs Tarifverträge, falle aber nur ein Bereich aus – wie es beispielsweise bei Streiks des Bodenpersonals oder der Luftsicherheit der Fall war –, komme der gesamte Luftverkehr zum Erliegen.

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„Deshalb garantiert ein abgeschlossener Tarifvertrag samt Friedenspflicht noch nicht einen zuverlässigen Flugbetrieb“, beklagte Lammers. Er betonte allerdings: „Das Streikrecht ist und bleibt dabei ein wichtiger Teil der Tarifautonomie.“ Mit den BDL-Vorschlägen solle die „friedens­stiftende Kraft“ der Tarifverträge gestärkt werden.

Wenckebach: Schlichtung regeln Tarifvertragsparteien selbst

Ob die Arbeitgeber mit ihren – auch vom CDU-Wirtschafts­flügel unterstützten – Forderungen durchkommen, ist indes mehr als zweifelhaft: In der Ampelkoalition stießen sie zuletzt auf keinerlei Gehör. Und womöglich müssten derartige gesetzliche Regelungen auch vom Bundes­verfassungs­gericht überprüft werden: „Eine staatliche Zwangs­schlichtung gegen den Willen der Tarifvertrags­parteien wäre mit der durch das Grundgesetz geschützten Tarif­autonomie nicht vereinbar“, sagte Johanna Wenckebach, Chefjuristin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, dem RND.

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„Wann geschlichtet wird, regeln Tarifverträge und somit die Tarif­vertrags­parteien selbst“, erklärte Wenckebach. Sie betonte, dass in Gewerkschaften organisierte Beschäftigte auf Streiks angewiesen seien, um auf Augenhöhe und ohne staatliche Hilfe mit Arbeitgebern verhandeln zu können. In einem Wirtschaftssystem, in dem Arbeitgeber strukturell mehr Macht hätten, sei das für die Tarifautonomie nötig. „Gerade auch die BDA hat doch zuletzt immer wieder betont, wie wichtig die Tarifautonomie ist“, so Wenckebach weiter.

Aktion von Verdi und Fridays for Future sorgt für Kritik

Auch sprach sich die Juristin gegen Sonderregelungen in der kritischen Infrastruktur aus. Grundsätzlich dürfe das Streikrecht nicht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt werden. Sogar das in Deutschland geltende Streikverbot für Beamtinnen und Beamte werde deshalb gerade vom Europäischen Gerichtshof überprüft. In kritischen Bereichen wie Krankenhäusern würden Gewerkschaften zudem schon jetzt für Notdienste sorgen. „Das kann auch gerichtlich überprüft werden und wird sicher nicht leichtfertigt gehandhabt“, meint Wenckebach.

03.03.2023, Niedersachsen, Hannover: Auf einer Anzeigetafel an einer Stadtbahnhaltestelle der hannoverschen Verkehrsbetriebe Üstra ist am Morgen der Schriftzug «Heute fahren keine Busse oder Bahnen» zu lesen. Die Gewerkschaft Verdi will mit Warnstreiks den öffentlichen Nahverkehr in zahlreichen Städten in mehreren Bundesländern lahmlegen. Foto: Moritz Frankenberg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Unterdessen ist auch unklar, welche Folgen die gemeinsamen Proteste von Verdi und Fridays for Future haben: Die Gewerkschaft hatte vergangene Woche während ihrer Streiks gemeinsam mit den Klimaschützern und ­­­-schützerinnen protestiert – eine Grenzüberschreitung, kritisierte BDA-Haupt­geschäftsführer Steffen Kampeter prompt. Würden Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele miteinander vermischt, gerate man schnell auf ein Spielfeld jenseits der deutschen Tarifautonomie, monierte Kampeter.

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Verdi mit höchstem Mitgliederzuwachs seit Gründung

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter betonten indes, dass die Arbeits­niederlegungen in der vergangenen Woche auf die Tarifstreitigkeiten abzielten, man aber eben gemeinsam demonstriere. Wenckebach glaubt denn auch nicht, dass Kampeters Kritik wie auch die Rufe nach Verschärfungen im Streikrecht juristischen Ursprungs sind: „Es geht um moralischen Druck auf Streikende“, sagte sie – und verwies darauf, dass dies beim Arbeitskämpfen im öffentlichen Dienst häufiger vorkomme als beispielsweise in der Industrie.

Ob derartige Attacken Verdi wirklich stören, muss sich noch zeigen. Zumindest bei Beschäftigten kommt der Kurs gut an: Gegenüber „Tablemedia“ verkündete Gewerkschaftschef Frank Werneke jüngst den größten Mitglieder­zuwachs seit Gründung der Gewerkschaft.




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