Hunderte Millionen Euro pro Tag weniger

Energieexporte: Wie sich der Geldstrom für Putins Krieg stoppen lässt

Russland, Ust-Luga: Tanks von Transneft, einem staatlichen russischen Unternehmen, das die Erdöl-Pipelines des Landes betreibt, stehen im Ölterminal von Ust-Luga. Russlands Präsident Wladimir Putin hat per Dekret ab Februar 2023 den Verkauf von Öl an Länder verboten, die einen Preisdeckel auf den Rohstoff beschlossen haben.

Russland, Ust-Luga: Tanks von Transneft, einem staatlichen russischen Unternehmen, das die Erdöl-Pipelines des Landes betreibt, stehen im Ölterminal von Ust-Luga. Russlands Präsident Wladimir Putin hat per Dekret ab Februar 2023 den Verkauf von Öl an Länder verboten, die einen Preisdeckel auf den Rohstoff beschlossen haben.

Frankfurt am Main. Um die 80 Dollar kostete am Mittwoch ein Fass Rohöl (159 Liter). Das ist eine Zahl, die Wladimir Putin wenig Freude bereiten wird. Der relativ günstige Preis für den weltweit wichtigsten Rohstoff und der EU-Boykott für russische Ölimporte drücken die Einnahmen des russischen Staates massiv. Nach Berechnungen der finnischen Denkfabrik CREA summieren sich die Einbußen aktuell auf 160 Millionen Euro täglich. Und sie werden noch weiter zurückgehen – mit der geplanten Verschärfung der Sanktionen im Februar.

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+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Zugleich kann ein ökonomisches Experiment als gelungen gelten: Am 5. Dezember setzte die EU das Importverbot für russisches Öl, das auf dem Seeweg kommt, um. Zugleich führten die Europäische Union und die G7-Staaten einen Preisdeckel für den zähflüssigen Stoff aus Sibirien ein: Nur wenn er für weniger als 60 Dollar verkauft wird, gibt es von westlichen Staaten die obligatorischen Versicherungen und andere Dienstleistungen für die Öl-Tanker. Das Ziel: Die russischen Einnahmen aus dem Ölgeschäft beschneiden, ohne den Ölmarkt in Turbulenzen mit steigenden Preisen zu treiben. Die Rechnung ist aufgegangen. Das Centre for Research on Energy und Clean Air (CREA) geht davon aus, dass Russland mittlerweile „nur“ noch 640 Millionen Euro täglich mit dem Verkauf von Erdöl einnimmt. In den Monaten September bis November waren es noch knapp 800 Millionen gewesen.

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Russisches Öl gibt es zum halben Preis

„Der EU-Bann und der Preisdeckel zeigen Wirksamkeit, und die Auswirkungen sind so deutlich, wie erwartet“, sagte Lauri Myllyvirta, CREA-Chefanalyst, am Mittwoch. Aber für nicht alle Experten war das von vornherein ausgemacht. Einen derartigen Eingriff in den Markt hat es bislang nicht gegeben. Vor allem wurde befürchtet, dass der EU-Boykott die Preise in die Höhe treiben könnte. Doch davon war nichts zu sehen. Zwar hüpfte die Notierung für die Referenzsorte Brent für kurze Zeit auf 85 Dollar, doch die Märkte beruhigten sich schnell wieder. Im August 2022 waren es in der Spitze noch knapp 130 Euro gewesen.

Offenbar wirken vor allem auch die wenig rosigen Aussichten für die globale Konjunkturentwicklung beruhigend. Harte Gegenmaßnahmen durch Kriegsherr Putin blieben ebenfalls aus: Es kursierten Spekulationen, dass er die Ölförderung massiv drosseln könnte, um die Preise in die Höhe zu treiben. Stattdessen erließ der Kremlchef ein Dekret, demzufolge Länder, die sich an die Preisobergrenze von 60 Dollar halten, kein russisches Öl mehr bekommen. Das lief ins Leere. Denn Russland ist gezwungen, noch erheblich billiger zu verkaufen. Nach den Daten des Informationsdienstes Argus Media waren es Ende voriger Woche knapp 38 Dollar pro Fass für Öl, das vom Ostseehafen Primorsk nach Asien geschippert wird – China und Indien sind die wichtigsten Abnehmer. Der Preis ist einerseits wegen des langen Transportwegs so niedrig, aber auch schlicht wegen mäßiger Nachfrage. Argus-Experten haben herausgefunden, dass trotz der enormen russischen Rabatte die Importe in die beiden Riesenländer nicht gestiegen sind.

Importstopp: Deutschland verzichtet auf Rohöl aus Russland
Tiefpumpen sind zu sehen.

Erst kein Öl mehr per Tanker, jetzt auch nicht mehr per Pipeline: Deutschland importiert wegen des Ukrainekriegs den Energieträger nicht mehr aus Russland.

Bald keine Heizöl- und Dieselimporte mehr aus Russland

„Es zeigt sich nun, dass es wirksame Werkzeuge gibt, um Hilfe für die Ukraine gegen die russische Aggression durchzusetzen“, so Myllyvirta. Für Putin dürfte es demnächst noch ungemütlicher werden. Deutschland hat mittlerweile auch den Import von russischem Pipeline-Öl eingestellt. Ab 5. Februar sollen zudem kein Diesel und kein Heizöl mehr mit Ursprung Sibirien in die EU eingeführt werden – nebst eines weiteren Preis-Caps, letzte Verhandlungen darüber laufen. Dies wird laut CREA die Einnahmen noch einmal um täglich 120 Millionen Euro drücken.

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„Mein Land kennt keine Moral mehr“

Immer mehr Verbrecher an der Front, immer mehr Gewalt gegen Zivilisten: Die russische Journalistin Ksenyia Kirillova sieht in ihrem Land „das komplette Verschwimmen aller moralischen Maßstäbe“.

Doch Myllyvirta geht das noch nicht weit genug. Der Höchstpreis müsse weiter gesenkt werden, um deutlich näher an die Kosten für Gewinnung und Transport von Rohöl heranzukommen. Die finnische Denkfabrik schlägt für Rohöl 25 bis 35 Dollar pro Fass vor – und 5 Euro mehr für Heizöl und Diesel. Zudem müsse es einen EU-Boykott für verflüssigtes Erdgas und für die restlichen Importe von Pipelinegas geben, was die russischen Erlöse um weitere 170 Millionen Euro pro Tag drücken würde. So könnten Steuereinnahmen des russischen Staats aus dem Energiegeschäft fast vollständig eliminiert werden.

Svitlana Romanko von der Ukraine-Hilfsorganisation Razom We Stand betonte: Der EU-Boykott zeige, dass die Einnahmen aus den Öl- und Gas-Exporten die finanzielle Grundlage für Putins Krieg seien. EU und die G7 hätten alle Mittel, diesen Geldstrom zu kappen.

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