Die Inflation steigt – warum das eine gute Nachricht ist
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Die Inflation in Deutschland hat Ende des vergangenen Jahres auf hohem Niveau an Tempo verloren. Wie sich die Teuerungsrate im Januar entwickelt hat, gibt das Statistische Bundesamt an diesem Donnerstag in einer ersten Schätzung bekannt.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Frankfurt am Main. So etwas passiert selten, doch jetzt ist es geschehen: Die Inflation steigt und Fachleute feiern es als positive Entwicklung. Laut Statistischem Bundesamt ist die Teuerung im Januar nach vorläufigen Berechnungen um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Bezogen auf den Dezember 2022 wurde ein Plus von einem Prozent errechnet. Details stehen noch aus. Doch klar erkennbar ist, dass sich Erdgas – der maßgebliche Preistreiber im vorigen Jahr – verbilligt.
Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK, sieht in den Zahlen eine gute Nachricht: „Erfreulich ist, dass der Zwischenanstieg nur sehr klein ausgefallen ist“ – im Dezember waren es 8,6 Prozent. Er ist davon überzeugt, dass die Zeiten mit zweistelligen Inflationsraten „endgültig hinter uns liegen“.
Rückgang ab März erwartet
Ein nachhaltiger und deutlicher Rückgang sei ab März zu erwarten. Dann werden die Verbraucher die staatlichen Preisbremsen für Gas und Strom am Geldbeutel spüren. Diese gelten zwar seit Jahresbeginn, doch sie werden erst im dritten Monat zahlungswirksam. Außerdem würden sich dann die Entspannung an den Energiemärkten und bei den Großhandelspreisen für Lebensmittel nach und nach auch bei den Verbraucherpreisen niederschlagen, so Dullien. Laut Nachrichtenagentur Dow Jones hatten Volkswirte für Januar eigentlich mit mehr als 9 Prozent kalkuliert.
Die Inflation in Deutschland erreichte ihren Höhepunkt mit 10,4 Prozent im Oktober. Im November und im Dezember ging es merklich nach unten. Energie war für gut die Hälfte der Teuerung verantwortlich. Das schlug schließlich aber auch bei fast allen Produkten für Konsumentinnen und Konsumenten durch.
Bei vielen Nahrungsmitteln kamen spezielle Entwicklungen hinzu. So war weltweit das Angebot bei Milch und Molkereiprodukten extrem niedrig, was zu Preisrekorden führte. Inzwischen haben Landwirte die Produktion wieder hochgefahren, das lässt sich unter anderem an aktuellen Sonderangeboten für Butter erkennen, wobei das Preisniveau gleichwohl immer noch hoch ist.
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Erdgas wird in den nächsten Monaten billiger
Im Dezember wurde die Teuerung dadurch gedrückt, dass der Staat die Gasrechnung übernahm. Dies war aber eine einmalige Soforthilfe. Diese Entlastung gab es im Januar nicht mehr, was ein entscheidender Faktor für die geringfügige Erhöhung der Rate sein dürfte. Für Februar werden von Volkswirten noch einmal ähnliche Effekte erwartet.
Auch Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW geht davon aus, „dass der Scheitelpunkt des großen Inflationsschubs erreicht ist“. Für ihn ist außerdem klar, dass die Teuerung in Deutschland und in der Euro-Zone „noch deutlicher“ fallen wird.
Erste Gasversorger haben ihre Tarife herabgesetzt
Ein Indikator dafür sind die sogenannten Erzeugerpreise – sie spiegeln die Konditionen wider, zu denen Unternehmen untereinander Geschäfte machen. Dies kommt dann auch bei den Verbrauchern mit mehrwöchiger Verzögerung an. Destatis hat in den letzten drei Monaten des Vorjahres hier immerhin eine erhebliche Abflachung der Steigerungsraten errechnet.
Noch deutlicher ist der Trend bei den Gaspreisen. Nach einer aktuellen Analyse des Energiedachverbandes BDEW sind nach fast zwei Jahren mit Anstiegen erstmals die Preise für Endkunden wieder gesunken – erste Versorger haben ihre Tarife herabgesetzt. Private Haushalte mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr müssen derzeit im Schnitt 18,15 Cent pro kWh zahlen, das sind fast 2 Cent weniger als im Dezember. Noch etwas deutlicher fällt der Abschlag für Mehrfamilienhäuser aus, wo jetzt 17,72 Cent im Mittel erhoben werden. Und: „Im Großhandel sind Anzeichen für eine länger anhaltende Entspannung der Preissituation erkennbar, auch im Hinblick auf die nächsten Monate und im kommenden Jahr“, so der BDEW.
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© Quelle: dpa
Preisdruck bei Nahrungsmitteln
Im europäischen Großhandel wurde der Brennstoff zur Lieferung im März am Donnerstag mit knapp 55 Euro pro Megawattstunde gehandelt – zum Höhepunkt der Energiekrise im August 2022 waren es fast 350 Euro gewesen. Damit liegt der Gaspreis aber noch merklich über dem Wert von 12 Cent, den der Staat seit Anfang Januar für 80 Prozent des Verbrauchs mittels der Gaspreisbremse garantiert. Beim Strom gab es allerdings noch einmal einen Zuschlag um gut acht Cent auf jetzt rund 48 Cent pro kWh. Hier gilt eine Preisbremse von 40 Cent.
Für Strom und Gas gilt: Die Verschiebungen an den Großhandelsmärkten machen sich erst mit großen Verzögerungen bei den Kundinnen und Kunden bemerkbar, weil die Unternehmen die Energie mit gestaffelten Lieferverträgen beschaffen. So mussten sie 2022 vielfach sehr teuer einkaufen und dies an ihre Kundschaft weitergeben. Mit Preissenkungen im größeren Stil wird erst in der zweiten Jahreshälfte gerechnet.
Und was bedeutet jetzt das alles für die Zinsen? Da will noch niemand Entwarnung geben. Die Europäische Zentralbank strebt eine Inflationsrate von 2 Prozent an. Diese Zielmarke werde vorerst nicht erreicht, betont Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank. Auch, weil trotz allem der Preisdruck insbesondere bei Nahrungsmitteln hoch bleibe. Für ZEW-Experte Heinemann ist ebenfalls klar: „Auch der von nun an erwartbare Rückgang der Inflation ändert nichts an der Tatsache, dass die EZB ihr 2-Prozent-Ziel noch weit verfehlt.“ Die EU-Statistikbehörde Eurostat hat die Januarinflation in der Euro-Zone auf 8,5 Prozent taxiert, wobei der Wert für Deutschland dabei grob geschätzt werden musste. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat weitere Leitzinserhöhungen für März angekündigt.