Wie Microsoft seine Suchmaschine mit ChatGPT aufpeppt
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Der Chatbot ChatGPT wird nun auch in Microsofts Suchmaschine integriert.
© Quelle: picture alliance / NurPhoto
Frankfurt am Main. Sie haben das Zeug dazu, die Art und Weise wie wir das Web nutzen, komplett zu verändern. Chatbots, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, werden in Suchmaschinen integriert. Microsoft hat damit begonnen. Der Rivale Google wird alsbald nachziehen.
Wir erläutern, was das für Verbraucherinnen, Verbraucher und die Internetökonomie bedeutet.
Warum sind Chatbots plötzlich so populär?
Die Start-up-Firma OpenAI, hinter der unter anderem Microsoft steht, hat Ende November eine Vorversion eines Chatbots öffentlich zugänglich gemacht: ChatGPT. Der Erfolg war weltweit überwältigend. Die Zahl der Nutzenden stieg schneller als beim Start von populären sozialen Netzwerken wie Instagram oder Tiktok.
Der Grund dafür war vor allem, dass die sogenannte generative künstliche Intelligenz auf Kommando gut lesbare Texte zu beinahe beliebigen Themen verfassen kann. Der Nutzer oder die Nutzerin kann am Bildschirm verfolgen, wie in wenigen Sekunden Wort für Wort zu sinnvollen Sätzen aneinandergefügt wird.
Was waren die Folgen des Sensationserfolgs?
Es wurde eine enorme Dynamik erzeugt. Microsoft hat zuerst OpenAI weitere 10 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, um ChatGPT und andere KI-Anwendungen weiterzuentwickeln. Zudem hat der Konzern gerade die Integration von ChatGPT in die eigene Suchmaschine Bing und den Internetbrowser Edge präsentiert.
Im Gegenzug hat die Google-Mutter Alphabet angekündigt, am Donnerstagabend (hiesiger Zeit) seine neuesten KI-Werkzeuge vorzustellen. Der Chatbot Bard dürfte dazugehören. Auch der chinesische Suchmaschinengigant Baidu will vom nächsten Monat an künstliche Intelligenz verstärkt nutzen.
Was wird für Nutzerinnen und Nutzer nun anders?
Die neue Version von Bing hat ein größeres Eingabefeld. Damit soll signalisiert werden, dass der Nutzer oder die Nutzerin auch vollständige längere Sätze eingeben kann. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Antworten umso spezifischer werden, je präziser die Fragen sind. Bing arbeitet nun mit zwei nebeneinander angeordneten Ergebnisblöcken.
Auf der linken Seite werden die Ergebnisse im klassischen Stil angeordnet – mit einer Auflistung von Webseiten. Auf der rechten Seite steht ein Textblock, wie er von ChatGPT erzeugt wird. Hier werden auch aktuelle Informationen aus dem Internet und Quellenangaben eingebaut, was mittels zusätzlicher KI-Software von Microsoft möglich wird.
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Wie fallen die Ergebnisse aus?
Erste Tests zeigen, dass die klassischen Listen verlässliche Ergebnisse zeigen. Wer nach den nächsten Spielen von Eintracht Frankfurt fragt, bekommt als Erstes den Spielplan der Fußballbundesliga-Mannschaft angezeigt. Der Chat beantwortet einfache Fragen zuverlässig, aber nicht unbedingt originell. Etwa: Wie kann ich meine Fitness steigern? Bei der Antwort wird unter anderem auf die aus dem Turnunterricht in der Schule bekannten Liegestütze verwiesen. Auch Zusammenfassungen längerer Texte funktionierten – sogar in Reimform. Bei komplexeren Fragen zeigte sich allerdings, dass die KI zum „Halluzinieren“ neigt. So wurden auf mehrfache Nachfrage des „Handelsblatts“ über den Lebenslauf ihres Chefredakteur Sebastian Matthes krasse Falschinformationen behauptet.
Wie bewerten Expertinnen und Experten das neue Bing?
Die Reaktionen reichen von skeptisch bis euphorisch. Die renommierte Techanalystin Carolina Milanesi betont: „Ich glaube, wir haben den ersten Schritt zu einer anderen Art der Suche und des Konsums von Inhalten gemacht.“ Im Wettbewerb der KI-Anwendungen werde künftig entscheidend sein, dass die Fragen der Nutzerinnen und Nutzer richtig verstanden werden. Das müsse noch verfeinert werden. Die Technologie biete aber viele Möglichkeiten. „Und ich hoffe, dass wir vom Bildungswesen bis zu den Arbeitgebern darüber nachdenken, wie wir lernen und sie verbessern können, anstatt sie zu stoppen“, so Milanesi auf Twitter.
Frederic Lardinois vom Fachdienst Techcrunch bezeichnete die neue Art der Suche als epochal. Er befürchtet aber negative Folgen für viele Betreiber von Internetseiten, die darauf angewiesen sind, dass ihnen über die Suchmaschinen Besucherinnen und Besucher der Websites zugeführt werden. Dies würde wegfallen, wenn der Inhalt direkt vom Chatbot angezeigt wird, etwa ein Kochrezept. Das könnte künftig auch für journalistische Inhalte oder Wikipedia gelten.
Expertinnen und Experten fragen sich zudem, wie sich Werbung im Internet verändert. Wer sich auf geschriebene oder gesprochene Antworten verlässt, könnte die Reklame künftig schlicht ignorieren. Zugleich ist denkbar, dass die Werbung aber auch in die Antworten eingebettet wird, etwa indem behauptet wird, dass eine bestimmte Pastamarke sich besonders gut für Spaghetti mit Tomatensoße eignet.
Wie werden die KI-Bots die Internetnutzung verändern?
Microsoft-Chef Satya Nadella sagte: „Heute hat ein Wettlauf begonnen.“ Er meint damit einen Wettlauf gegen Google. Der Internetgigant hat weltweit einen Marktanteil bei der Suche von 90 Prozent, hierzulande ist der Anteil noch höher. Das Quasimonopol sichert dem Konzern hohe Werbeeinnahmen. Microsoft ist es hingegen in fast anderthalb Jahrzehnten nicht gelungen, den Marktanteil von Bing über die Zehn-Prozent-Marke zu hieven. Jetzt hofft Nadella auf einen Schub, zumal viele andere Geschäftsfelder von Microsoft derzeit Schwächen zeigen. Das könnte Google in Bedrängnis bringen. Und Nadella geht auch davon aus, dass die KI-Anwendungen „so ziemlich jede Softwarekategorie umgestalten“ werden. So sollen sie auch in den Clouddienst Azure integriert werden, um etwa Protokolle von Teams-Besprechungen zu erstellen oder um automatisch Geschäftsberichte zu schreiben.