Elon Musk – an der Belastungsgrenze oder schon darüber hinaus?
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ARCHIV - 09.03.2020, USA, Washington: Elon Musk, Konzernchef des US-Elektroautohersteller Tesla, nimmt an der SATELLITE-Konferenz teil. Tech-Unternehmer Elon Musk hat nach der teuren Twitter-Übernahme erneut Tesla-Aktien im Wert von mehreren Milliarden Dollar verkauft. In den vergangenen Tagen addierten sich die Verkäufe auf rund vier Milliarden Dollar (rund vier Mrd Euro), wie aus in der Nacht zum Mittwoch von der Börsenaufsicht SEC veröffentlichten Tesla-Unterlagen hervorgeht. (zu dpa: «Musk verkauft Tesla-Aktien für weitere vier Milliarden Dollar») Foto: Susan Walsh/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Frankfurt am Main. Wie lange geht das noch gut mit Elon Musk? Der Multiunternehmer und Multimilliardär hat eingeräumt, dass er „zu viel auf dem Teller“ hat. Er meint seine persönliche Arbeitsbelastung, die er gerade auf „wahrscheinlich 120 Stunden“ pro Woche taxiert hat. Er versucht vor allem, die Kurznachrichtenplattform Twitter zu sanieren. Darunter leidet sein wichtigster Job – beim E-Auto-Bauer Tesla. Die Kritik von Anlegerinnen, Anlegern, Analystinnen und Analysten wächst, während die Aktie immer weiter an Wert verliert. Womöglich holt sich Musk nun einen externen Manager, um die Wogen zu glätten.
Da liegt es nahe, auch an Herbert Diess, Ex-Chef von Volkswagen, zu denken, der mit Musk befreundet ist. Bestätigungen gibt es dafür bislang nicht. James Murdoch, Mitglied im Tesla-Verwaltungsrat, betonte jedenfalls, der Tesla-Gründer habe eine „Idee“, wer sein Nachfolger als Chef werden könnte. Namen nannte er nicht. Murdoch sagte dies im Zeugenstand eines Gerichtsverfahrens in Delaware, in dem es um umstrittene milliardenschwere Aktienoptionen für Musk geht.
Radikalumbau in Höchstgeschwindigkeit
Musk selbst betonte, er sehe sich als Ingenieur, der bahnbrechende Technologien entwickele und bei Tesla verantwortlich sei „für die Technologie im Auto, die es erfolgreich macht“. Das „Wall Street Journal“ berichtete, das Tesla-Management habe schon mehrfach darüber beraten, dass Musk sich vom Posten als Vorstandschef zurückzieht und stattdessen oberster Produktstratege wird. Ähnliche Jobwechsel haben einige Hightechgründer in der Vergangenheit vorgelebt – etwa Larry Page und Sergey Brin bei Google (Alphabet).
Musk hat indes deutlich gemacht, dass es bei Twitter „einen Sturm der Aktivität“ gebe und dass eine „grundlegende organisatorische Umstrukturierung“ nötig sei. Diese soll schon Ende nächster Woche abgeschlossen sein. Mit dem Ziel, ein Unternehmen zu schaffen, das ebenfalls von Ingenieurinnen und Ingenieuren beherrscht werde. Der Multimilliardär hatte Twitter für 44 Milliarden Dollar übernommen, die Führungsmannschaft gefeuert und sich selbst zum alleinherrschenden Chief Twit gekrönt. Nun kündigte er aber an, dass er seine Tätigkeit bei Twitter reduzieren wolle und im Laufe der Zeit jemanden finden werde, der das Unternehmen führe.
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Wie ernst gemeint das alles ist, lässt sich schwer beurteilen. Offensichtlich ist aber, dass Musk bei Twitter mit maximalem Druck arbeitet. Er hat vor einer Pleite gewarnt, falls sich nicht extrem schnell vieles wandele. Er will die Zahl der Festangestellten um etwa 3700 Jobs reduzieren und damit die Belegschaft halbieren.
Sein neuester Schritt beim Brachialumbau: Er hat den Beschäftigten eine Mail mit einer kurzen Frage geschickt: „Möchtest du weiter bei Twitter bleiben?“ Die einzige Antwortoption ist: Ja. Die Angeschriebenen mussten bis Donnerstag 17 Uhr New Yorker Zeit (23 Uhr MEZ) reagieren. Wer den Jabutton nicht anklickt, soll als gefeuert gelten. Wer Ja sagt, muss sich auf einiges gefasst machen.
Verstöße gegen Arbeitsrecht?
Musk kündigte den Mitarbeitenden ungefähr das an, was er sich angeblich selbst zumutet: „Lange Arbeitszeiten mit hoher Intensität.“ Damit Twitter erfolgreich werde, „müssen wir extrem hardcore sein“, betonte er. Nur außergewöhnliche Leistungen würden eine befriedigende Bewertung der Beschäftigten rechtfertigen, heißt es laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg in der E-Mail. Viele Beschäftigte sollen bereits Anwältinnen und Anwälte, die Experten für Arbeitsrecht sind, um juristischen Beistand gebeten haben.
Es sei sicherlich falsch, das Jawort einzufordern, da so der Anschein entstehen könnte, dass Arbeitnehmende freiwillig auf ihre Rechte verzichten, so der Anwalt Peter Romer-Friedman. Auch eine Entlassung bei einer Nichtantwort sei nicht akzeptabel, allein schon weil es Fälle geben könnte, bei denen wegen widriger Umstände eine Reaktion auf die Mail nicht möglich sei. Andere Juristinnen und Juristen machen darauf aufmerksam, dass die Forderung nach langen Arbeitszeiten gegen das Arbeitsschutzrecht verstoßen würde.
Hier drohen gerichtliche Verfahren, die zu der Klage kommen, die bereits am Mittwoch bei einem Bundesgericht in San Francisco eingereicht wurde. Es geht um bis zu 5500 Leiharbeitende, die bei Twitter gearbeitet haben, deren Verträge wohl nicht fristgerecht gekündigt wurden und die noch auf ihre Endvergütung, Spesenerstattungen und andere Leistungen warten. Das alles lässt Zweifel zu, ob das mit dem Radikalumbau bis Ende nächster Woche was wird.
Viele Baustellen bei Tesla
Musks Eile dürfte derweil auch damit zusammenhängen, dass es bei Tesla zahlreiche Baustellen gibt. Die Firma ist zwar immer noch der wertvollste Autobauer, sie war am Donnerstag um die 186 Milliarden Dollar schwer. Zu Jahresbeginn waren es aber noch 400 Milliarden gewesen. Bei den Ursachen für den massiven Wertverlust spielt Musks 120-Stunden-Woche eine maßgebliche Rolle. Die Frage ist: „Wie viele Bälle kann er in der Luft halten“, so Brian Mulberry von Zack Investment, einem Großaktionär von Tesla. Er befürchtet zudem eine „Verschlechterung der Produktivität“.
Nicht nur, weil Musk für die Pkw kaum noch Zeit hat. Er hat auch wichtige Ingenieurinnen und Ingenieure zur Twitter-Sanierung abkommandiert. Dabei handelt es sich unter anderem um Softwareexpertinnen und -experten, die am Autopiloten arbeiten, einem der wichtigsten Projekte für Tesla. Musk hat hierzu erklärt, dass die Ingenieurinnen und Ingenieure lediglich „nach Feierabend“ nach Twitter schauten.
Viel Know-how wird derweil auch gebraucht, um den angekündigten Cybertruck endlich serienreif zu machen. Ferner halten es Branchenkennerinnen und Branchenkenner für nötig, die aktuellen Modellreihen zu modernisieren. Und schließlich stellen sich Analystinnen und Analysten die Frage, ob Musk noch weitere Tesla-Aktien verkaufen muss – er hat bereits Papiere mit einem Gesamtwert von rund 19 Milliarden Dollar veräußert. Gene Munster vom Investor Loup Funds, der Musk seit Jahren beobachtet, geht davon aus, dass er im Frühjahr weitere Aktienpakete veräußern muss, wenn der Exodus der Werbetreibenden bei Twitter anhält. Das könnte den Tesla-Kurs weiter in die Tiefe ziehen.
In dem Gerichtsverfahren in Delaware geht es indes darum, ob es rechtens war, dass Musk Bonuszahlungen in der astronomischen Höhe von 55 Milliarden Dollar kassiert hat. Er hat vor Gericht klargestellt, dass es das Geld benötige, um seine Vision einer Kolonie auf dem Mars umzusetzen.