Größter Steuerbetrug aller Zeiten

Hanno Berger: Warum „Mister Cum-ex“ für viele Jahre ins Gefängnis muss

Der Angeklagte Hanno Berger im Cum-ex-Prozess betritt den provisorischen Gerichtssaal in Wiesbaden zur Verkündung des Urteils. Berger gilt als Architekt der Cum-ex-Deals, bei dem sich Banken und Investoren nie gezahlte Kapitalertragssteuern erstatten ließen und den Staat geschätzt um mindestens 10 Milliarden Euro prellten.

Der Angeklagte Hanno Berger im Cum-ex-Prozess betritt den provisorischen Gerichtssaal in Wiesbaden zur Verkündung des Urteils. Berger gilt als Architekt der Cum-ex-Deals, bei dem sich Banken und Investoren nie gezahlte Kapitalertragssteuern erstatten ließen und den Staat geschätzt um mindestens 10 Milliarden Euro prellten.

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Berlin. Acht Jahre und drei Monate Haft. So lautet das Urteil gegen den Steueranwalt Hanno Berger, der als Schlüsselfigur und Wegbereiter des sogenannten Cum-ex-Skandals gilt, des größten Steuerbetrugs in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Landgericht Wiesbaden hat den 72-Jährigen am Dienstag wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig gesprochen. Außerdem verfügte das Gericht, dass Taterträge von knapp 1,1 Millionen Euro aus Bergers Vermögen eingezogen werden. Das Urteil hat noch keine Rechtskraft, eine Revision ist möglich.

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Berger ist die bekannteste Figur im Zusammenhang mit Cum-ex-Geschäften, jenen Aktiendeals, bei denen Banken und Finanzinvestoren und -investorinnen Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch untereinander hin und her handelten. Einziges Ziel der Scheingeschäfte war es, die Finanzbehörden über die Besitzverhältnisse von Wertpapieren an deren Dividendenstichtag zu täuschen. Dadurch konnten sich die Beteiligten einmal gezahlte Steuern doppelt erstatten lassen. Zwischen 2006 und 2011 soll der deutsche Staat durch die weit verbreitete Betrugsmasche mindestens 10 Milliarden Euro verloren haben.

Cum-ex-Schlüsselfigur Hanno Berger zu über acht Jahren Haft verurteilt

Das Landgericht Wiesbaden hat die Schlüsselfigur im Cum-ex-Steuerskandal, Hanno Berger, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von über acht Jahren verurteilt.

Die Politik hatte das Problem erst spät bemerkt und dann nur halbherzig reagiert, was auch damit zu tun hatte, dass Berger und andere Beteiligte über Jahre für die Sichtweise lobbyierten, dass die Praxis legal sei. Erst 2012 wurde das Steuerschlupfloch vom Gesetzgeber geschlossen. Die höchstrichterliche Entscheidung, dass das Cum-ex-Modell als Straftat zu bewerten sein, fällte der Bundesgerichtshof im Jahr 2021.

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Verteidigung forderte Freispruch

Berger musste sich nun für Deals aus den Jahren 2006 bis 2008 verantworten, bei denen frühere Beschäftigte der Hypovereinsbank und ein inzwischen verstorbener Immobilieninvestor Aktien im Wert von 15,8 Milliarden Euro gehandelt und den Staat dabei um 113 Millionen Euro betrogen haben sollen. Laut Erkenntnis der Strafverfolger soll Berger die Geschäfte vermittelt und auch einen Teil des Gewinns bekommen haben. Die Ankläger und Anklägerinnen hatten eine Haftstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert.

Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, begrüßte den Richterspruch. „Die Urteile gegen Hanno Berger senden wichtige Signale: Der Rechtsstaat ist wehrhaft, auch Menschen wie Hanno Berger stehen nicht über dem Gesetz“, sagte der frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen. Berger habe Cum-ex erst für private Investments groß gemacht und damit der Staatskasse großen Schaden zugefügt, so Schick weiter.

Er beklagte, dass die juristische Aufarbeitung bislang schleppend erfolge. „Nur gegen sehr wenige der 1700 Beschuldigten wurde bisher ein Prozess gestartet und das mehr als zehn Jahre nach dem Stopp der Geschäfte. Es müssen endlich alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um die Aufklärung entschieden voranzutreiben und alle Täterinnen und Täter vor Gericht zu bringen“, forderte Schick.

Welche Rolle spielte Bundeskanzler Olaf Scholz?

Für Berger, der sich über viele Jahre in der Schweiz der deutschen Justiz entzogen hatte und erst im Dezember 2022 ausgeliefert worden war, ist es bereits die zweite Verurteilung in Sachen Cum-ex. Bereits im Dezember hatte das Landgericht Bonn ihn zu acht Jahren Haft verurteilt.

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In dem Bonner Verfahren ging es um Geschäfte, an denen auch die Hamburger Privatbank M. M. Warburg beteilig gewesen war. Der Fall gilt als politisch brisant, weil die Hamburger Finanzbehörden zunächst auf eine Rückforderung von 47 Millionen Euro an die Warburg-Bank verzichtet hatten. Später kam heraus, dass sich der damalige Warburg-Chef Christian Olearius in dem für die Rückzahlung relevanten Zeitraum mehrfach mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte. Scholz bestreitet, politischen Einfluss auf die Entscheidung der Finanzbehörde genommen zu haben. Die Opposition will den Fall in einem Untersuchungsausschuss erneut aufrollen.

Das Bonner Urteil gegen Berger ist ebenfalls noch nicht rechtskräftig, er hat dagegen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Der Mann, der selbst als Steuerfahnder gearbeitet hatte, bevor er die Seiten wechselte, weist bislang alle Vorwürfe zurück und sieht sich als Justizopfer. Sollten beide Urteile rechtskräftig werden, droht ihm eine Gesamtfreiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren.

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