Berechnung nachträglich geändert

Behörde revidiert Zahlen: Warum Deutschland 2022 doch keinen Inflationsrekord verbucht hat

Lebensmittel liegen in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt.

Lebensmittel liegen in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt.

Die Teuerung hat Haushalte 2022 dem Statistischen Bundesamt zufolge weniger stark belastet als bislang angenommen: Die Wiesbadener Behörde hat am Mittwoch die Zahlen zum Verbraucherpreisindex (VPI) revidiert, im vergangenen Jahr lag demnach die Inflationsrate nicht bei 7,9 Prozent, sondern bei 6,9 Prozent – weshalb die Inflation 2022 nun doch keinen Rekord in der Geschichte des Bundesrepublik darstellte.

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Die Revision bedeutet nicht, dass sich Waren und Dienstleistungen weniger stark verteuert hätten. Vielmehr soll der Verbraucherpreisindex, der in Deutschland als offizielle Inflationsrate gilt, ausdrücklich auch die Lebensrealität abbilden. Dazu werden seit jeher einzelne Produkte gewichtet. Täte man das nicht, würde beispielsweise eine Verdoppelung des Preises von Fernsehern die Inflation massiv erhöhen – obwohl Kosten für TV-Geräte im Vergleich zu Nahrungsmitteln bei den meisten Menschen nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Turnusmäßige Anpassung war fällig

Welche Rolle welche Produkte spielen, ändert sich allerdings ständig – und sämtliche zuletzt veröffentlichten Zahlen basierten – vereinfacht gesagt – auf Daten zu Konsumgewohnheiten 2015. Wie alle fünf Jahre üblich gibt es nun ein neues Basisjahr. Normalerweise wäre das das Jahr 2020. Doch um nicht zu stark vom Lockdownjahr geprägt zu sein, haben die Statistikerinnen und Statistiker Daten der Jahre 2019 bis 2021 berücksichtigt. Vor allem für Wohnraum und Energie wurde in dem Zeitraum dem Bundesamt zufolge anteilig weniger als zuvor für Wohnraum und Energie ausgegeben.

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Entlang der neuen Gewichtung, dem sogenannten Wägungsschema, wurden wie ebenfalls üblich die Inflationszahlen bis zum neuen Basiszeitraum revidiert: Mit Blick auf das Jahr 2021 sind die Änderungen marginal. Im Jahr 2022 fiel die Inflation 2022 aber einen ganzen Prozentpunkt niedriger aus als bislang angenommen, im Oktober waren es sogar 1,6 Prozentpunkte. Das sei ein für die turnusmäßige Revision „außergewöhnlich hoher“ Wert, erklärte ein Mitarbeiter bei einem eigens einberufenen Pressegespräch am Mittwoch. Er und seine Kolleginnen und Kollegen betonten zugleich, dass die neuen Werte näher an der Lebensrealität im vergangenen Jahr seien.

Der Inflationsrekord ist weg

Auch ist die revidierte Zahl ab sofort die für das Jahr 2022 offiziell gültige Inflationsrate. Auf den Webseiten des Bundesamts seien die früheren 7,9 Prozent bereits durch die neuen 6,9 Prozent ersetzt worden, erklärte das Bundesamt. Eine weitere Folge: Sowohl 1951 als auch 1973 war die offizielle Inflationsrate nun höher als 2022. Von 2022 als Rekordjahr bei der Inflation in der Geschichte der Bundesrepublik wollten die Statistikerinnen und Statistiker am Mittwoch denn auch nicht mehr sprechen.

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„Von Kleinrechnen kann nicht die Rede sein“, erklärte zugleich Bundesamtsprecher Florian Burg. Sowohl er als auch die Statistikerinnen und Statistiker betonten, die Revision sei eine fachliche Entscheidung ohne Einmischung der Politik. Für Anpassungen bei Wertsicherungsklauseln, etwa bei Indexmieten, wolle das Bundesamt zudem Hilfestellung und Informationsmaterialien anbieten.

Wohl kaum Auswirkungen auf Indexmieten

Diese sind im Regelfall an die offizielle Inflation, also die Entwicklung des Verbraucherpreisindex, gekoppelt. Die Revision dürfte nach Ansicht des Mieterbunds aber keine nachträglichen Auswirkungen auf Mietverträge mit Indexmieten haben. Ausschlaggebend sei entlang eines Urteils vom Bundesgerichtshof stets das zum Zeitpunkt der Mieterhöhung greifende Basisjahr, erklärte eine Sprecherin.

Trotz der Revision ist die Inflation weiterhin ungewöhnlich hoch, seit der Ölkrise in den 1970ern gab es in Deutschland keine derartige Teuerung mehr. Fachleute erwarten allerdings, dass die Inflation bald wieder sinkt, insbesondere weil die Energiepreise durch die Preisbremsen nachgeben dürften. Bei Nahrungsmitteln und Dienstleistungen erwarten Fachleute vorerst weitere Preissteigerungen.

Inflation dürfte bald sinken

Auch bestätigte das Bundesamt am Mittwoch die ersten Schätzungen zur Inflationsrate im Januar: Diese habe – entlang der neuen Rechenweise – bei 8,7 Prozent gelegen. Dass sie damit leicht anstieg, ist laut Sebastian Dullien vor allem einem Einmaleffekt geschuldet: Im Dezember habe der Bund schließlich einmalig die Gasabschlagsrechnung übernommen und so die Inflation gedrückt, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. „Ein nachhaltiger und deutlicher Rückgang der Teuerung ist ab März zu erwarten“, erklärte der Ökonom weiter.

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