Günstig und gut fürs Klima? Was das Deutschlandticket dem Klimaschutz bringt
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Der Nachfolger des 9-Euro-Ticket soll kommen. Es soll ab Mai deutschlandweit verfügbar sein.
© Quelle: IMAGO/aal.photo
Für 49 Euro im Monat mit dem Deutschlandticket quer durch die Bundesrepublik reisen. Das soll ab dem 1. Mai möglich sein. Bundestag und Bundesrat haben das vergünstigte Nahverkehrsticket schon genehmigt, jetzt fehlt nur noch die Zustimmung der EU-Kommission. Die Verantwortlichen erhoffen sich von der Einführung des Tickets die Einleitung einer großen Verkehrswende durch die Aufwertung des Personennahverkehrs.
Das konkrete Ziel der Bundesregierung: Statt Autos sollen die Menschen in Zukunft vermehrt Busse und Bahnen nutzen – und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. So wie im Sommer vergangenen Jahres, als Bund und Länder das 9‑Euro-Ticket eingeführt hatten. Es war eine aus der Not geborene Idee, um die Bürgerinnen und Bürger bei explodierenden Energiepreisen durch den Ukraine-Krieg zu entlasten.
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Das 9‑Euro-Ticket war erfolgreich: 52 Millionen Mal wurde es verkauft; etwa 10 Prozent der Käuferinnen und Käufer verzichteten zwischen Juni und August auf mindestens eine tägliche Autofahrt. Diese Bilanz zog der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen nach dem Aktionszeitraum. Dass mehr Menschen auf Busse und Bahnen umgestiegen sind, hatte auch positive Effekte fürs Klima. Insgesamt rund 1,8 Millionen Tonnen CO₂ seien so eingespart worden. So viel, wie ein Jahr Tempolimit bringen würde.
Lässt sich diese Erfolgsgeschichte mit dem Deutschlandticket wiederholen? Kann es genauso viel, wenn nicht sogar noch mehr zum Klimaschutz beitragen?
Deutschlandticket ist zu teuer
Gefragt ist das Deutschlandticket zwar, allerdings nicht so stark wie damals das 9‑Euro-Ticket. Darauf deuten Befragungsdaten hin, die Mark Andor vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa gesammelt hat. Demnach gaben 15 Prozent der Befragten im November und Dezember vergangenen Jahres an, das Deutschlandticket regelmäßig kaufen zu wollen. 10 Prozent waren noch unentschlossen, die übrigen sagten, sie würden es eher nicht nutzen.
Verantwortlich für die geringe Nachfrage ist vor allem der Ticketpreis. Er ist nach Ansicht von Expertinnen und Experten zu hoch. Dadurch verschiebe sich die Zielgruppe, sagte Jan Schlüter. Gelegenheits- und Impulskäuferinnen und ‑käufer würden eher auf einen Kauf verzichten. „Gemäß unseren gesammelten Daten stellt der festgelegte Preis dennoch ein attraktives Angebot dar“, stellte der Verkehrswissenschaftler von der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Holzminden klar. So gewährleiste die unbeschränkte Laufzeit etwa eine längerfristige Mobilitätsplanung für die Kundinnen und Kunden.
Klimaschutzeffekt noch unklar
Wie sehr das Deutschlandticket langfristig dem Klima hilft, ist dagegen unklar. „Wir gehen nicht davon aus, dass diese Maßnahme allein beträchtliche Mengen an CO₂ verringert“, sagte Verhaltensforscher Andor. Die Erfahrungen mit dem 9‑Euro-Ticket würden darauf hindeuten, dass kein starker Rückgang bei der Autonutzung zu erwarten sei. Bestimmte Gruppen wie Pendlerinnen und Pendler, die eine gute Nahverkehrsanbindung haben, könnten jedoch häufiger ihr Auto stehen lassen. Ihr Anteil an der Bevölkerung sei aber „zu klein, um einen substanziellen Einfluss auf die aggregierten CO₂-Emissionen zu nehmen“.
Zu Zeiten des 9‑Euro-Tickets haben vor allem mehr Fußgänger und Fahrradfahrer den Nahverkehr genutzt. Diese Erkenntnis hat Verkehrsforscher Gernot Liedtke von der Technischen Universität Berlin den Mobilitätsdaten entnommen. Gehe man davon aus, dass diejenigen, die Einzelfahrkarten lösen, nun häufiger das Auto stehen lassen, könnten sich die jährlichen CO₂-Einsparungen auf zwei Millionen Tonnen belaufen. Wahrscheinlich sind Einsparungen in der Größenordnung von einer Million Tonnen pro Jahr“, sagte er. Genauere Einschätzungen seien zurzeit nicht möglich.
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Nahverkehr muss an Qualität gewinnen
Verhaltensforscher Andor ist überzeugt, dass das Deutschlandticket nicht das richtige Mittel ist, um den Nahverkehr attraktiver zu machen. „Das ÖPNV-Angebot sollte generell stark ausgebaut werden, wenn eine Verkehrswende in Deutschland wirklich angestrebt wird“, sagte er. „Menschen werden nur auf das Auto verzichten, wenn sie mit anderen Mitteln ihre Mobilitätsbedürfnisse erfüllen können.“ Dafür sei neben dem Preis auch die Qualität des Nahverkehrs entscheidend. Und hier gebe es ein starkes Stadt-Land-Gefälle, pflichtete ihm Liedtke bei.
Gerade in ländlichen Regionen ist der Nahverkehr schlecht ausgebaut. Das zeigt der „Öffentliche Verkehrs-Atlas Deutschland 2022“. Darin heißt es, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werde, müsste die Nachfrage im öffentlichen Verkehr um mindestens 60 Prozent gegenüber dem Niveau vor Corona steigen. Zudem müssten sich die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Kilometer bis zur Mitte des Jahrhunderts verdoppeln.
Mobilitätsforscher: Nahverkehr ist eine „Resterampe“
Diese Ziele zu erreichen wird eine große Herausforderung. Denn aktuell sei die Struktur des öffentlichen Personennahverkehrs „morsch“, so beschrieb es Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Sie sei eine „Resterampe“, erdacht für Menschen, die keinen Führerschein haben. Es fehle an Angeboten, die Bus- und Bahnunternehmen dazu verleiten, möglichst viele Menschen zu befördern. „Wir müssen wegkommen von Pauschalfinanzierungen, die keinen unternehmerischen Spielraum ermöglichen“, sagte er.
Für eine Mobilitätswende bräuchte es aber auch weniger Privilegien für Autofahrer und ‑fahrerinnen, meint Andor. Hier könnte eine Städtemaut helfen, wie sie das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung vorschlägt, also eine Gebühr für das Autofahren in der Stadt. Sie könne auch dazu beitragen, einen Verkehrskollaps in den Innenstädten zu verhindern. „Jedoch erfahren solche Maßnahmen häufig geringere Zustimmung in der Bevölkerung und sind politisch daher schwieriger umzusetzen“, gab der Verhaltensforscher zu bedenken.